Xi Jinping walks to G20 Summit
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
16 Minuten Lesedauer

Xi präsentiert China als positive Kraft auf der Weltbühne

Bei einem virtuellen Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) am 20. November hob Xi das Engagement Chinas für die regionale Wirtschaftsentwicklung hervor. Beijing erwäge nun „proaktiv“ den Beitritt zum Handelsabkommen TPP. Im gemeinsamen Kampf gegen die Pandemie habe China „Weisheit und Ressourcen“ beigetragen. Beim ebenfalls online abgehaltenen G20-Gipfel am 21. November schlug Xi einen globalen Mechanismus Nachverfolgung von Covid-19-Infektionen mittels QR-Codes vor. Er drängte die Gruppe, eine "inklusive Entwicklung" zu unterstützen und "Unilateralismus und Protektionismus" abzulehnen – eine Formel, die vor allem Kritik an den USA zum Ausdruck bringen soll.

Xi nutzt den Erfolg im Kampf gegen die Pandemie einmal mehr, um China international als Gegengewicht zum strategischen Rivalen USA zu etablieren, der mit einer schweren Gesundheits- und Wirtschaftskrise zu kämpfen hat. Auf dem jährlichen BRICS-Gipfel der aufstrebenden Ökonomien am 17. November warnte Xi davor, dass Länder "die Pandemie nutzen, um Globalisierung zurückzudrehen und ... die wirtschaftliche Entkopplung voranzutreiben".

Auch durch den Abschluss des weltweit größten Freihandelsabkommens RCEP mit 15 Ländern des asiatisch-pazifischen Raums hat China seinen Anspruch auf globale Führerschaft untermauert. Das Abkommen gibt China mehr Einfluss auf die Gestaltung regionaler Handelsregeln und -standards, zudem trägt es dazu bei, chinesische Lieferketten in der Region zu festigen. Die USA hingegen haben unter Präsident Donald Trump in der Region zuletzt an Einfluss verloren.

Der Blick nach vorn: Starke regionale Lieferketten sind für China wichtig, denn das Land will seine Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten verringern. Die vergleichsweise rasche Erholung von der Pandemie und das Freihandelsabkommen RCEP könnten auf Dauer Chinas Wirtschaft stärken. Das Land kann sich auf inländische Wachstumstreiber konzentrieren und gleichzeitig die strategischen Beziehungen zu Partnern in der Region festigen.

MERICS-Analyse: China ist selbstbewusster aus der Covid-19-Krise hervorgegangen und präsentiert sich als Verfechter der Globalisierung und als verantwortungsbewusster Anbieter globaler öffentlicher Güter. Dazu gehören Impfstoffe, aber auch temporäre Schuldenerlasse für Entwicklungsländer. Beijing sieht die Pandemie als Chance, die Normen und Strukturen der globalen Politik seinen Interessen gemäß umzuformen. Dies wirkt sich auch auf neue Bereiche wie die Digitalwirtschaft aus, in der viele Regeln erst noch geschrieben werden müssen. Das wird auch Anhand von Chinas Bemühen deutlich, die Arbeit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), deren Mitglieder sich ebenfalls in diesem Monat zu einem virtuellen Gipfel getroffen hatten, auf die Digitalwirtschaft auszuweiten.

Medienberichte und Quellen:

Beijing sendet neue Drohgebärden Richtung Australien

Die Fakten: Die chinesische Regierung erhöht den Druck auf Australien. In der vergangenen Woche übergab ein Mitarbeiter der chinesischen Botschaft in Canberra führenden australischen Medien eine Liste mit 14 Beschwerdepunkten. Diese beziehen sich auf Entscheidungen der australischen Regierung und zivilgesellschaftliche Aktivitäten, die die chinesische Führung verärgern. Die Liste umfasst unter anderem den Ausschluss Huaweis vom australischen 5G-Netz, Canberras Forderung nach einer internationalen Untersuchung der Ursprünge der Covid-19-Pandemie, Investitionsbeschränkungen, Gesetze zur Prüfung von Abkommen Chinas mit australischen Bundesstaaten, den Widerruf von Visa für chinesische Wissenschaftler. die staatliche Förderung eines China-kritischen Thinktanks, sowie China-kritische Medienberichte.

Dieser erneuten Eskalation waren erneute Beschränkungen für australische Importe vorausgegangen. Australische Ministerien bemühen sich seit Monaten vergeblich um Dialog mit der chinesischen Seite. Premierminister Scott Morrison signalisierte, dass Canberra sich dem Druck Beijings nicht beugen werde.

Der Blick nach vorn: Obwohl Chinas internationales Ansehen darunter leidet, scheint Beijing nicht an einem Kurswechsel gelegen. Europäische Länder sahen sich – in einem anderen Ausmaß – mit einem ähnlichen Verhalten Beijings konfrontiert. Liberale Demokratien weltweit sollten Chinas Vorgehen gegenüber Australien daher genau beobachten, sich solidarisch zeigen und Abwehrmechanismen gegen politischen und wirtschaftlichen Zwang aufbauen.

MERICS-Analyse: “Beijing fordert die Souveränität und Demokratie Australiens offen heraus. Die Liste der Beschwerdepunkte ist ein Versuch, sich in rechtmäßige innen- und außenpolitische Entscheidungen des Landes einzumischen. China nimmt auch unabhängige Forschung, Medien und Redefreiheit ins Visier. Es fordert eine Behandlung, die in China selbst nicht gewährleistet ist. Der chinesische Markt und die Gesellschaft werden weiterhin vom Wettbewerb und Austausch mit dem Ausland abgeschottet, sagt MERICS-Expertin Lucrezia Poggetti.

Mehr zum Thema: MERICS-Chefökonom Max J. Zenglein untersucht im aktuellen MERICS China Monitor die wechselseitige Abhängigkeit Europas und Chinas.

Medienberichte und Quellen:

Massive Kreditausfälle von Staatsunternehmen – die Regierung hilft nicht

Die Fakten: Eine Serie von Anleiheausfällen staatseigener Unternehmen (SOE) überschattet Chinas wirtschaftliche Erholung von der Covid-19-Krise. Am 17. November wurde bekannt, dass die Tsinghua Unigroup, ein Halbleiterunternehmen und Schlüsselakteur für Chinas Pläne zur Modernisierung seiner Industrie, mit der Rückzahlung einer Anleihe in Höhe von 1,3 Milliarden CNY in Verzug ist. Im Oktober hatte auch das im Besitz der Provinz Liaoning befindliche Unternehmen Huachen Automotive eine fällige Anleihe nicht bedienen können. Ebenso geriet in der Provinz Henan der Kohle- und Stromproduzent Yongcheng mit einer Anleihe in Höhe von einer Milliarde CNY in Zahlungsverzug.

Die chinesische Zentralbank PBOC pumpte am 16. November 800 Milliarden CNY auf die Märkte, um die Investoren zu beruhigen. Doch sie ist offenbar zur Änderung dieser Strategie entschlossen: Auf dem WeChat-Konto der PBOC wurde eine ältere Rede von Gouverneur Yi Gang erneut verschickt. Darin bekräftigt er, dass die Investoren die Risiken ihrer Anlagen selber tragen müssen. Der einflussreiche Ausschuss für Finanzstabilität und Entwicklung kündigte derweil eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Unternehmen an, die Kredite schuldig blieben.

Der Blick nach vorn: Die anhaltende Instabilität des chinesischen Kreditmarkts und die ebenfalls schwächelnde Weltwirtschaft könnten dazu beitragen, dass sich Zahlungsausfälle häufen. Chinesische Unternehmen stehen weniger gut da als es die von der Regierung verkündete Wirtschaftserholung vermuten lässt: Die Industriegewinne seit Jahresbeginn (YTD) sind um 4,9 Prozent zurückgegangen, und der Erzeugerpreisindex fiel um 2,1 Prozent. Die Daten des dritten Quartals stimmen ebenfalls pessimistisch: Das nominale BIP wuchs nur um 1,4 Prozent, die ausstehenden Kredite stiegen um 13,5 Prozent sprunghaft an. Seit Januar hat ist die Verschuldung im Verhältnis zum BIP um 36 Prozentpunkte gestiegen. Sie hat ein Rekordhoch von 280 Prozent des BIP erreicht, Tendenz steigend.

MERICS-Analyse: Die Regierung in Beijing will das Problem der überschuldeten Unternehmen angehen und Investoren vermitteln, dass die bislang üblichen, impliziten Garantien für in Schwierigkeiten geratene Staatsunternehmen der Vergangenheit angehören sollen. Ob Beijing dies konsequent durchziehen kann, ist fraglich: Hält die Serie von Zahlungsausfällen an, könnte dies die wirtschaftliche Erholung gefährden und zu massiver Kapitalflucht führen - ein Szenario, das die politischen Entscheidungsträger unbedingt vermeiden wollen. Bei einer Verschärfung der Lage wird Beijing auch weiterhin stützend eingreifen.

Medienberichte und Quellen:

Datenleck bei Logistikfirma offenbart Herausforderungen für Chinas Datenschutzgesetz

Die Fakten: Bei der gemessen am Umsatz zweitgrößten chinesischen Logistikfirma YTO Express haben Betrüger mithilfe von Mitarbeitern 400.000 Datensätze von Kunden gestohlen. Wie chinesische Medien berichteten, haben fünf Mitarbeiter einer Lieferstation in der Provinz Hebei im August ihre Firmenkonten für 500 CNY pro Tag „vermietet“. Die Datendiebe stahlen über diese Kanäle Namen, Adressen und Nummern aus der YTO-Datenbank. Den Berichten zufolge wurden bislang 29 Fälle von Datenschutzverstößen polizeilich gemeldet, insgesamt wurden demnach 400 Millionen persönliche Dateninformationen gestohlen.

Der Blick nach vorn: China wird in Kürze sein erstes Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten verabschieden. Sobald es in Kraft ist, können Individuen im Fall von Datendiebstahl oder -missbrauch Rechtsmittel einlegen. Chinas Cyberspace-Verwaltung machte kürzlich bekannt, dass 35 chinesische Apps, darunter die populäre App Weibo, private Daten von Nutzern missbräuchlich verwendet haben. Auch der Fall YTO ist nicht der erste dieser Art. Bereits seit 2013 gab es immer wieder Fälle, bei denen Mitarbeiter mit Betrügern zusammenarbeiteten. Die Behörden könnten auch den Schwarzmarkt für Daten bislang nicht zerschlagen, auf dem persönliche Informationen zu einem Stückpreis von 80 Cent bis zu 10 Yuan gehandelt werden.

MERICS-Analyse: Der Fall zeigt, wie einfach Datendiebstahl in China ist. Expandierende Logistikfirmen stellen angesichts hoher Nachfrage oft Leiharbeiter und Mitarbeiter an, die keine Datenschutz-Trainings erhalten und nur unzureichend beaufsichtigt werden. Auch dürfte es für die Behörden schwierig werden, die vielen Kanäle stillzulegen, auf denen heute gestohlene Daten online verkauft werden und damit dem Datenbetrug Einhalt zu gebieten.

Medienberichte und Quellen:

METRIX

5Fünf in China entwickelte Impfstoffe gegen Covid-19 befinden sich derzeit in der entscheidenden klinischen Testphase vor Zulassung. Als erster chinesischer Hersteller hat die China National Biotec Group (CNBG) gestern laut einem Bericht die Zulassung eines Impfstoffes für die breite Öffentlichkeit beantragt. Unabhängig davon, ob China das erste Land sein wird, das einen sicheren und wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, ist der Einsatz chinesischer Impfstoffe für Beijings geopolitische Strategie zentral.

Um Chinas Impfstoffdiplomatie, die „Neue Seidenstraße der Gesundheit“ und Ambitionen in der internationalen Gesundheitspolitik geht es in einer neuen MERICS-Serie von Jacob Mardell, die Sie hier online lesen können (in englischer Sprache):

REZENSION: Chinas “guter” Krieg, von Rana Mitter (Belknap Harvard, 2020)

Von den am Zweiten Weltkrieg beteiligten Nationen erlebte China als einzige keine stabile Nachkriegszeit. Das Land geriet stattdessen in einen Bürgerkrieg, auf den turbulente Jahrzehnte unter Mao Zedongs Herrschaft folgten. Rana Mitter zeichnet nach, wie China seit dem Tod Maos sein kollektives Gedächtnis des Kriegs gegen Japan aufgearbeitet hat. Er beschreibt ein akademisches Unternehmertum, das die Geschichtsschreibung des Krieges in China aufblähte und zeichnet nach, wie dieses narrative Spektrum – von japanischen Kriegsverbrechen bis hin zu den diplomatischen Errungenschaften der nationalistischen Regierung – in der offiziellen Rhetorik und für die Durchsetzung territorialer Ansprüche Chinas eingesetzt wurde.

Mitter behandelt sowohl die Darstellung des Kriegs in der chinesischen Popkultur als auch die Unterschiede zwischen lokalen Erfahrungen und der orthodoxen Auslegung der Kommunistischen Partei. Westliche Narrative über den Zweiten Weltkrieg als Sieg der Demokratie setzten sich schon seinerzeit bei chinesischen Zeitgenossen nicht durch. Nationale Souveränität und Ordnung waren in China die Themen der Stunde.

Heute beansprucht die Kommunistische Partei unter Xi Jinping die Erzählung von Chinas Rolle im globalen anti-imperialistischen Kampf von 1937 bis 1945 als Argument für ihren internationalen Führungsanspruch. Laut Mitter trug jedoch der Sieg der Kommunisten im Jahre 1949 dazu bei, das Land von den Nachkriegserfahrungen anderer asiatischer Nationen zu isolieren. Es blieb wenig Raum für die Konstruktion einer gemeinsamen, grenzüberschreitenden Erinnerungskultur.

Innerhalb Chinas hat die Erinnerung an den Krieg mobilisierende Wirkung: Chinas Führer verwenden heute die von Mao im Kampf gegen Japan geprägte Vokabel des „fortgesetzten Krieges“, wenn sie Chinas Kampf gegen Covid-19 oder den Konflikt mit den USA meinen. In Xis China wird Geschichte zunehmend politisiert. Mitters Fazit ist pessimistisch: Das Fehlen eines gemeinsamen „Erinnerungskreises“ über das bestimmende Ereignis des 20. Jahrhunderts verheiße nichts Gutes für Chinas Beziehungen zu anderen führenden Nationen, gleich ob diese zu den Verlierern oder Siegern des Zweiten Weltkrieges zählten.

Review von John Lee, Senior Analyst bei MERICS

Das Interview von John Lee mit Rana Mitter wird in kürze hochgeladen. Folgen Sie uns auf itunes oder soundcloud.

VIS-À-VIS: Eva Pils: “Das verstößt gegen die Bürgerrechte der Hongkonger”

eva pilsMERICS China Briefing sprach mit Eva Pils, Juraprofessorin am King’s College in London und Gastforscherin am US-Asia-Law Institute der New York University, über den Ausschluss von Mitgliedern des Hongkonger Legislativrats und dessen Bedeutung für die Zukunft des Hongkonger Justizsystems.

 

Beijing hat kürzlich vier Mitglieder des Hongkonger Legislativrats durch eine Anordnung ausgeschlossen. Wie solide ist die rechtliche Grundlage für diesen Schritt?

Die rechtliche Grundlage ist aus meiner Sicht äußerst wackelig, aber ich fürchte, dass die Zentralregierung bereits weitere Schritte plant, um einer gerichtlichen Überprüfung zuvorzukommen.

Das Hongkonger Grundgesetz setzt klare Regeln, was die Mitgliedschaft im Legislativrat und auch die Prozesse im Fall eines Ausschlusses betrifft. Die Regeln sind Teil eines Systems, das ein hohes Maß an Autonomie vom Festland gewährt, nur ganz bestimmte Gesetze des Festlands in Hongkong anwendbar macht und die Befugnisse des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses bei der Interpretation des Grundgesetzes beschränkt.

Beijing hat diese Mechanismen in der Vergangenheit auf eigene und durchaus umstrittene Weise ausgelegt. Dazu gehört die hochproblematische Einführung des Gesetzes zur Nationalen Sicherheit in Hongkong. Diesmal gibt die Zentralregierung nicht einmal vor, sich an die Vorschriften des Grundgesetzes zu halten.

Stattdessen hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses den Ausschluss der vier Abgeordneten verordnet und die Artikel 52, 54 und 67(1) der Verfassung der Volksrepublik China als rechtliche Grundlage zitiert, zusätzlich zum Grundgesetz und dem Nationalen Sicherheitsgesetz. An schwersten wiegt, dass Hongkonger Bürger nun anscheinend auf Basis von Artikel 54 verpflichtet werden, „die Sicherheit, Ehre und Interessen des Vaterlands“ zu gewährleisten und sich nicht an Handlungen zu beteiligen, die der „Sicherheit, Ehre und den Interessen des Vaterlandes schaden“.

Das Vorgehen verstößt gegen die im Hongkonger Grundgesetz verankerten Bürgerrechte, gegen internationale Menschenrechtsgesetze und gegen Chinas Zusicherung in der Gemeinsamen Erklärung mit Großbritannien, die Rechtstaatlichkeit in Hongkong sicherzustellen.

Könnte der Ausschluss der Abgeordneten Hongkonger Gerichte auf den Plan rufen?

Theoretisch ja, wenn die Betroffenen eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung verlangen. Allerdings soll der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses bereits daran arbeiten, die Kompetenzen der Hongkonger Gerichte einzuschränken. Ein Mitglied des Ständigen Ausschusses soll gesagt haben, die vier Abgeordneten könnten zwar um eine Überprüfung ersuchen. Die Gerichte würden ihre Fälle aber möglicherweise nicht bearbeiten.

Wie geht das Hongkonger Justizsystem mit der Herausforderung um, das Nationale Sicherheitsgesetz mit den im Grundgesetz verankerten Rechten und Freiheiten unter einen Hut zu bringen?

Bislang gab es nur wenige Fälle, in denen das Nationale Sicherheitsgesetz direkt angewandt wurde. Die meisten Fälle von zivilen Protesten wurden unter bestehenden Gesetzen behandelt. Die Richter begründeten auf dieser Basis Freisprüche, die Gewährung von Kautionen oder Strafen, die von Beijing-freundlichen Beobachtern gerne als „zu milde“ kritisiert werden.

Die Anwendung des Nationalen Sicherheitsgesetzes reichte in den meisten Fällen nicht über die erste Phase der Festnahmen hinaus, auch bei prominenten Akteuren. Die Hongkonger Regierung hat angedeutet, dass die Parole “Die Befreiung Hongkongs – Revolution unserer Zeit” gegen das Sicherheitsgesetz verstoße. Im Oktober wurde erstmals jemand unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz angeklagt, das Gericht verweigerte eine Entlassung gegen Kaution, der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und wartet auf seine Verhandlung.

Das beunruhigende an dem Gesetz ist, dass es die Ernennung von Richtern durch die Hongkonger Regierungschefin in Abstimmung mit dem Komitee für die Wahrung der Nationalen Sicherheit vorsieht. Dieser Prozess sorgt dafür, dass Beijings Interessen berücksichtigt werden. Schwer wiegt auch, dass in bestimmten Fällen die Zuständigkeit nach Festlandchina verlegt werden kann, wie zum Beispiel im Fall der zwölf Hongkonger, die bei der Überfahrt nach Taiwan auf offener See aufgegriffen und in die Volksrepublik gebracht wurden. Dort bleibt ihnen das Recht auf ein faires Verfahren verwehrt. Solche Entwicklungen lassen nichts Gutes erahnen mit Blick auf künftige Verfahren bei Verdacht auf Verstoß gegen das Nationale Sicherheitsgesetz.

PROFIL: SVOLT geht in Europa auf die Überholspur

Das Unternehmen, das jetzt seine Fühler nach Deutschland ausstreckt, hat sich einen wohlklingenden Namen gegeben: Honeycomb, übersetzt Honigwabe, nennt sich SVOLT heute. Hervorgegangen ist das Unternehmen 2018 nach sechsjähriger Forschungsarbeit aus der Batteriesparte von Great Wall Motors.

Ende 2019 baute SVOLT, heute einer der zehn größten Batteriehersteller in China, seine erste Batteriefabrik in Changzhou. Nun richtet das Unternehmen seine Augen auf Europa und plant eine neue Batteriefabrik im Saarland.

SVOLT stößt in eine Lücke in einem lukrativen Markt vor. Die europäische Autoindustrie befindet sich mitten im Wandel Richtung E-Mobilität. Europa verfügt über reichlich ingenieurwissenschaftliche Expertise, eine wachsende Nachfrage und staatliche Unterstützung, aber es gibt nur wenige europäische Batteriehersteller. SVOLT ist nicht das einzige Unternehmen, dass darin eine Chance erkannt hat. Der chinesische Batteriehersteller CATL hat mit dem Bau einer Fabrik in Thüringen begonnen, das US-Unternehmen Tesla baut eine Gigafabrik in Brandenburg.

SVOLT könnte mehrere Milliarden Euro im Saarland investieren. Das Unternehmen plant in Deutschland zwei Fabriken zur Produktion von Batterien für E-Autos. Die erste soll 2023 in Betrieb genommen werden und anfangs eine Produktionskapazität von sechs, in den darauffolgenden Jahren von 24 Gigawattstunden erreichen.

Das Unternehmen wird nicht nur Batteriezellen produzieren, sondern die Akkus auch zusammenbauen. In seinen Produkten verzichtet SVOLT auf die Verwendung des umwelt- und gesundheitsschädlichen Kobalts. Das Unternehmen gibt an, auch ohne das Metall dieselbe Energiedichte in Batteriezellen zu erreichen wie die Konkurrenz. Diese seien zudem nachhaltiger und langlebiger.

Bei alldem stellt sich die Frage, weshalb es immer noch kaum europäische Wettbewerber im Batteriesektor gibt. Gerade erst hat Deutschland eine Europäische Konferenz zur Batteriezellfertigung geleitet. Es unterstützt auch internationale Batteriehersteller. Deutsche Unternehmen haben sich früh gegen die Produktion von Batterien für E-Autos entschieden. Das könnte sich als Fehlentscheidung erweisen, denn Batterien machen knapp ein Drittel Wertschöpfung von E-Fahrzeugen aus. Unternehmen wie SVOLT werden von einem wachsenden Markt stark profitieren.

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

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