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MERICS Briefs
MERICS China Essentials
16 Minuten Lesedauer

Durchgreifen gegen Privatsektor + Afghanistan + Null-Covid-Strategie

Top Thema: Beijing nimmt wirtschaftliche Nachteile in Kauf, um politische Ziele zu erreichen

Chinas Technologie-, Bildungs- und Immobiliensektoren sind ins Visier der Aufsichtsbehörden geraten und stehen erheblich unter Druck. In der Folge gingen Marktwerte von umgerechnet mehr als einer Billion US-Dollar verloren. Chinas Führung scheint zunehmend bereit zu sein, erhebliche wirtschaftliche Schäden in Kauf zu nehmen, um nichtwirtschaftliche Ziele zu erreichen. 

Datenverwaltung: Angesichts wachsender Bedenken von Verbrauchern und der Tatsache, dass private Unternehmen mehr Daten über die Bürger sammeln als die Regierung, hat die Regulierung der Datenverwaltung höchste Priorität. Die aktuelle Cybersicherheits-Untersuchung des Fahrdienstvermittlers Didi ist eine Warnung der Regierung an Unternehmen, sich an die Regeln zu halten.  

Kommerzielle Nachhilfe: Viele chinesische Eltern entscheiden sich auch aufgrund der hohen Kosten für Bildung trotz der Aufhebung der Ein-Kind-Politik immer noch nicht dafür, mehr als ein Kind zu bekommen. Xi Jinping sprach 2018 von der Notwendigkeit, den kostspieligen privaten Nachhilfeunterricht einzudämmen. Ende Juli 2021 wurde diese Branche praktisch über Nacht abgeschafft.  

Immobilienspekulation: Die in die Höhe schießenden Wohn- und Mietkosten belasten die Mittelschicht, insbesondere jüngere Menschen. Im Juli 2021 wurden neue Maßnahmen ergriffen, um die Hypothekenzinsen für Zweitwohnungen zu erhöhen und gegen Bauträger vorzugehen.  

Lieferdienste: Lieferdienste wie Meituan und Eleme beschäftigen Millionen von überlasteten und unterbezahlten Fahrern. Am 26. Juli verhängten die Regulierungsbehörden neue Regeln, um deren Arbeitsbedingungen zu verbessern. 

Börsennotierungen im Ausland: Neue Regeln für die Börsennotierung im Ausland erfordern eine Überprüfung der nationalen Sicherheit für jedes Unternehmen, das Daten von mehr als einer Million Nutzern sammelt. Das betrifft praktisch jedes Unternehmen, das einen Börsengang anstrebt.  

MERICS-Analyse: Die chinesische Regierung versucht, vom Wirtschaftswachstum als Hauptquelle ihrer Legitimität abzurücken und konzentriert sich stattdessen auf die Beseitigung der Ursachen für die Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Außerdem will sie ihre Kontrolle über die Privatwirtschaft festigen und sicherstellen, dass diese eher der politischen Agenda der Partei als ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen dienen. Im Vorfeld des Parteitags 2022 könnte es als politisch nützlich angesehen werden, diese populären Schritte zu verfolgen – selbst auf Kosten von Aktionären und Wohlhabenden – insbesondere, wenn Xi Jinping und seine Getreuen ihre Positionen behalten wollen. 

Medienberichte und Quellen: 

METRIX

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Im aktuellen Medaillenspiegel der Olympischen Spiele in Tokio liegen die USA mit einer Goldmedaille mehr nur knapp vor China. Insgesamt holten die US-Sportler 25 Medaillen mehr als chinesische Athleten. Die Emotionen im Sport sind in der chinesischen Medienberichterstattung mit geopolitischen Rivalitäten verflochten. Das letzte Mal, dass China die meisten Goldmedaillen gewonnen hat, war 2008 bei den Olympischen Spielen in Beijing. Da die Olympischen Winterspiele 2022 wieder in Chinas Hauptstadt stattfinden, werden die chinesischen Athleten wahrscheinlich unter politischen Druck geraten, besser als die Konkurrenten aus den USA abzuschneiden. Quelle: Financial Times

Beijing sucht pragmatischen Umgang mit Taliban zur Wahrung seiner Interessen in Afghanistan

Die Fakten: Während sich die Lage in Afghanistan nach dem Rückzug der USA aus dem Land weiter verschlechtert, versucht Beijing seine Interessen vor Ort zu schützen. Chinas Außenminister Wang Yi empfing am 28. Juli in Tianjin eine Taliban-Delegation, die von deren Mitbegründer Mullah Abdul Ghani Baradar angeführt wurde. Wang versprach, die Taliban beim Wiederaufbau Afghanistans zu unterstützen und forderte gleichzeitig, dass diese ihre Verbindungen zur Islamischen Bewegung Ostturkestans beenden – mit anderen Worten, mit allen Terrorgruppen mit Verbindungen zu oder Sympathien für uigurische Gruppen. Zuvor traf Wang auch den afghanischen Außenminister und drängte darauf, dass die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) eine aktivere Rolle bei der Sicherung der Stabilität des Landes übernimmt. 

Der Blick nach vorn: Die Unruhen in Afghanistan eskalieren in einem besorgniserregenden Tempo. Beijing macht die USA für die aktuelle Situation verantwortlich und wünscht sich eine politische Beilegung des Konflikts, vor allem, weil es klare Bedenken hinsichtlich der Religion und Ideologie der Taliban hat und nicht möchte, dass sie die volle Kontrolle über das Land übernehmen. Beijing wird versuchen, bestehende Beziehungen und Mechanismen wie die SOZ, die „Quadrilateral Coordination Group“ oder seine engen Beziehungen zu Islamabad zu nutzen, um eine Einigung herbeizuführen. Da sich Beijing nicht zu sehr einmischen will, wird diese Strategie, wenn überhaupt, auf kurze Sicht nicht zu einem Friedensabkommen führen. In der Zwischenzeit wird China seine bilateralen Beziehungen zu den Taliban und der afghanischen Regierung nutzen, um seine Interessen in jedem Fall zu schützen. 

MERICS Analyse: „Chinas vorrangiges Interesse besteht darin, die Stabilität in Afghanistan aufrechtzuerhalten. Hauptsächlich um zu verhindern, dass es zu einem Zufluchtsort für terroristische Gruppen wird, die auch China angreifen könnten. Es geht Beijing aber auch darum, seine Investitionen im Land und in der Region, insbesondere in Pakistan, zu schützen. Beijing ist sich jedoch der Fallstricke einer zu weitgehenden Verstrickung bewusst und nicht bereit, die USA und ihre Verbündeten zu ersetzen.“  Helena Legarda, Senior Analyst bei MERICS 

Medienberichte und Quellen:

Chinas Null-Covid Strategie im Kampf gegen die Delta-Variante

Die Fakten: China kämpft derzeit gegen einen größeren Ausbruch der Delta-Variante, der von staatlichen Medien als „der schwerwiegendste seit Wuhan“ bezeichnet wird. Nach einem langen Zeitraum von nahezu keinen Infektionen wurden in der letzten Woche 776 neue symptomatische Fälle entdeckt, was einem Wachstum von 55 Prozent im 7-Tage-Schnitt entspricht. Über 17 Provinzen meldeten Fälle, die in einigen Gebieten harte Lockdowns und in vielen anderen Reisebeschränkungen auslösten. Nanjing, Zhangjiajie und das bereits vom Hochwasser betroffene Zhengzhou zählen zu den am stärksten betroffenen Städten. Zahlreiche Beamte in den betroffenen Provinzen wurden suspendiert oder disziplinarisch überprüft. Am Montag meldete China erstmals seit sechs Monaten mehr als 100 lokale Neuinfektionen pro Tag. 

Der Blick nach vorn: Die Delta-Variante wird die Schwierigkeit und die Kosten der Null-Covid-Strategie Chinas für alle Akteure erhöhen. Nichtsdestotrotz wird Beijing wahrscheinlich solange an seiner Eindämmungsstrategie der geschlossenen Grenzen und strengen Beschränkungen festhalten, bis die Impfraten höher sind. Bis heute wurden rund 1,6 Milliarden Impfungen verabreicht. Das ist genug, um etwa 55 Prozent der Bevölkerung vollständig zu impfen. Vor dem jüngsten Ausbruch hatte der chinesische Mediziner Zhang Wenhong prognostiziert, dass China erst in der ersten Hälfte des Jahres 2022 eine ausreichend hohe Impfquote erreichen würde.  

Angesichts der bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Beijing im Winter 2022 stellt die Tatsache, dass es bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio über 400 Infektionen gegeben hat, ein Albtraumszenario für Chinas Null-Covid Strategie dar. Es ist zu erwarten, dass China die strengsten Covid-Maßnahmen für alle ankommenden Athleten und zugehörigen Mitarbeiter einführen wird, die die Welt bisher gesehen hat.  

MERICS-Analyse: Die Verbreitung der Delta-Variante birgt nicht nur gesundheitliche Risiken, sondern auch Risiken für Unterbrechungen in Lieferketten, die durch nachfolgende Lockdowns erhöht werden. Und das zu einer Zeit, in der Mangel in allen Bereichen Unternehmen unter Druck setzt, von Halbleitern bis hin zu Versandcontainern. Im Gegensatz zu anderen Herausforderungen in der Lieferkette, an die sich Unternehmen angepasst haben, stellt Delta in China ein unvorhersehbares Risiko dar, da bereits ein einzelner Fall in einer neuen Region zu weitreichenden Einschränkungen des Waren- und Personenverkehrs führen kann.  

Medienberichte und Quellen: 

Die Inflation steigt - das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich

Die Fakten: Die neu veröffentlichten Zahlen zum Verbraucherpreisindex (VPI) und zum Erzeugerpreisindex (PPI) für Juli deuten auf ein wachsendes Inflationsrisiko in China hin. Die VPI-Zahlen sind nur leicht gestiegen. Am meisten Anlass zur Sorge gibt der PPI, der auf neun Prozent geklettert ist. Das liegt an den steigenden Rohstoffpreisen, die die Produktion verteuern. Gleichzeitig verlangsamt sich Chinas gesamtwirtschaftliches Wachstum. Goldman Sachs hat seine Wachstumsprognose für 2021 von 8,9 auf 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt, was sowohl auf die geringere Auslandsnachfrage als auch auf Störungen durch den Ausbruch der Delta-Variante im ganzen Land zurückzuführen ist.    

Der Blick nach vorn: Beobachter verfolgen nun gespannt, wie die chinesische Zentralbank (PBOC) auf das Dilemma reagieren wird. Eine Lockerung der Geldpolitik würde das Wirtschaftswachstum stützen, während eine strengere Geldpolitik die Inflation eindämmen würde. Die Senkung des Mindestreservesatzes Mitte Juli deutet darauf hin, dass die Zentralbanker derzeit zu Ersterem tendieren.    

MERICS-Analyse: "Die Ankurbelung des Wachstums wird in diesem Jahr Vorrang vor der Inflationsbekämpfung haben, zumal der Delta-Ausbruch in China weiterhin für Störungen sorgen wird", sagt Jacob Gunter, Senior Analyst bei MERICS. "Der Haupttreiber der Inflation sind im Moment die Rohstoffe. Beijing hat durch die Kontrolle der staatlichen Produzenten eine gewisse Flexibilität bei der Steuerung ihrer Kosten. Das würde es der Regierung ermöglichen, die Wachstumsraten mithilfe der Geldpolitik zu stützen."  

Medienberichte und Quellen:

VIS-À-VIS: Jane Duckett über Chinas Umgang mit der Pandemie: „Die Kommunistische Partei wurde durch die Pandemie gestärkt”

Jane Duckett ist Edward Caird Chair of Politics und Leiterin des Scottish Centre for China Research der Universität Glasgow. Sie ist Expertin für chinesische Staatstätigkeit und Gesundheitspolitik. MERICS China Briefing sprach mit ihr über den Umgang der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) mit der Covid-19-Pandemie. 

Die Fragen stellte Claudia Wessling, Leiterin Kommunikation und Publikationen, MERICS

Sie betrachten in einem Forschungsprojekt Chinas Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Was haben Sie bislang herausgefunden? 

Wir haben uns die Anfangsphase der Pandemie von Januar bis April 2020 angesehen. Die KPC spielte eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung von Covid-19. Die Behörden entschieden bald, dass die Pandemie einer Schlacht glich, und sie forderten einen Ansatz wie auf dem Schlachtfeld. Es gab zwei Fronten: die Krankenhäuser und die Notwendigkeit, ihre Behandlungskapazitäten zu erhöhen, und die Gemeinden. Die Partei etablierte eine Kontrolle an der Spitze und schuf zentrale Mechanismen, um den Kampf gegen die Pandemie zu regeln und Geschehnisse bis hinunter auf die lokale Ebene zu kontrollieren und darauf zu reagieren.  

Die KPC hat eine zentrale Führungsgruppe geschaffen, um politische Antworten auf nationaler Ebene zu erarbeiten. Diese traf sich von Ende Januar bis April ungefähr alle drei Tage, dies wiederholte sich an verschiedenen Orten. Sie führte ein System umfassender Tests, strenger Tür-zu-Tür-Kontrollen und proaktiver, zentralisierter Isolation ein. Dieser „Null-Toleranz“-Ansatz für Covid-19 zielte darauf ab, sämtliche Infektionen zu vermeiden. Es ging von der Aufforderung der Menschen, einfach Zuhause zu bleiben, über zur Isolierung, sobald bekannt wurde, dass sie mit Covid-19 Fällen in Kontakt standen oder Symptome aufwiesen, aber noch nicht positiv getestet wurden. Parteimitglieder spielten eine entscheidende Rolle in der lokalen Umsetzung.   

Wurde die Reaktion der Regierung in den sozialen Medien diskutiert? Hat sich ihr Image verbessert? 

Es scheint so. Der Tiefpunkt war erreicht, als Dr. Li Wenliang, der Mediziner in Wuhan, der früh im Internet über Covid aufklärte, im Februar an einer Infektion mit dem Virus starb. Die sozialen Medien in China waren sehr kritisch. Der große Vorteil der Kommunistischen Partei besteht jedoch darin, dass sie Narrative in den traditionellen Medien kontrollieren kann. Sie konnte auch auf einige Bedenken der Bevölkerung eingehen. Zum Beispiel wurden die Angehörigen einiger schutzbedürftiger junger Menschen isoliert und diese jungen Menschen ohne Unterstützung zurückgelassen. Also erließ die Regierung Anordnungen für eine bessere Versorgung der Menschen in der Gemeinde.  

Die KPC versuchte auch, das Narrativ zu kontrollieren: Regierungsbeamte wurden angehalten, die heroischen Taten des Gesundheitspersonals im kollektiven Kampf hervorzuheben. Als die Fallzahl in China im Februar zu sinken begann und in anderen Ländern rapide zunahm, verbreitete die KPC die Version, dass China gut abgeschnitten habe und westliche Länder schlecht mit der Pandemie umgegangen seien. Die Partei nutzte die Gelegenheit, um die Botschaft zu stärken, dass das chinesische System besser sei und dass die Rettung von Leben – und nicht die Freiheiten – Priorität habe. Sie konnte die Erzählung von der anfänglich weit verbreiteten Kritik weg hin zu für das Regime positiveren Themen wenden.   

Bieten diese Strategien Lehren dafür, welches System bei einer Pandemie widerstandsfähiger ist?  

Die meisten westlichen Regierungen hätten viel schneller handeln können. Der chinesische Parteistaat wurde dafür kritisiert, dass er in den frühen Stadien der Pandemie nicht schnell reagierte, aber als er handelte, tat er dies entschlossen. Dies zeigte, dass einige der traditionellen Werkzeuge des chinesischen autoritären Systems – die Mobilisierung von Menschen, die Fähigkeit, Maßnahmen durchzusetzen – eine echte Hilfe sein können. Allerdings wird diese Art von Werkzeugen in einer demokratischen Gesellschaft wahrscheinlich nicht toleriert.  

Aber die Pandemie ist noch nicht vorbei. China ist zum Beispiel beim Impfen im Rückstand und gefährdet so auch seine längerfristige Erholung. Die Volkswirtschaften werden gute Impfstoffprogramme brauchen, um sich zu erholen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir beurteilen können, welche Länder die Pandemie am besten gemeistert haben. Insgesamt denke ich, dass die Kommunistische Partei bisher dadurch gestärkt wurde. Es wird wahrscheinlich ein vernünftiges Impfstoffprogramm einführen, könnte jedoch Schwierigkeiten haben, das Land wieder zu öffnen, ohne seinen „Null-Toleranz“-Ansatz gegenüber Covid-19 zu lockern. 

REZENSION

“From rebel to ruler: One hundred years of the Chinese Communist Party”, von Tony Saich

Mit hundert Jahren und mehr als 95 Millionen Mitgliedern ist die Kommunistische Partei Chinas (KPC) eine der ältesten, größten und mächtigsten politischen Organisationen der Welt. Sie regiert über die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat weitreichende Kontrolle über 1,3 Milliarden Menschen. Obwohl ihre Geschichte von internen Konflikten und Fehlern geprägt ist, hat sie es geschafft, diese zu überwinden und bis heute zu bestehen. Das macht sie zu einer “very distinct political organization”, schreibt China-Experte Tony Saich in seinem neuen Buch.   

Saich führt die Leser durch die Geschichte der KPC. Zunächst wird betrachtet, wie die Partei an die Macht kam und dann, wie sie China bis heute regiert und führt. Er erklärt Verhaltensmuster der Partei und ihrer Elite im Laufe ihrer Geschichte und beleuchtet den Zusammenhang zur Politik Xi Jinpings in der Gegenwart.  

Ein wiederkehrendes Thema ist die mehrdeutige Beziehung der KPC zu Privatunternehmen. Nach der Abschaffung der Klasse der Privatkapitalisten nutzte die KPC deren Initiative für den wirtschaftlichen Aufbau. Saich argumentiert, dass die KPC im Laufe ihrer Geschichte immer dort Privatunternehmen genutzt hat, in denen sie kein Fachwissen vorweisen konnte. Aber sobald diese Unternehmen beginnen, die Partei in Bezug auf Fähigkeiten und Macht zu übertreffen, verweist die KPC sie in die Schranken und übernimmt die Kontrolle. Eine Strategie, die auch beim aktuellen Vorgehen gegen Chinas Technologiegiganten zum Einsatz kommt. Unternehmen wie Alibaba und Didi halfen bei der Entwicklung der Technologieindustrie des Landes, aber dass sie zu viele Informationen, Daten und finanziellen Einfluss erlangen könnten, sieht die Partei als Bedrohung ihrer Herrschaft.  

Indem die Vergangenheit der Partei detailliert beschrieben und mit der Gegenwart in Beziehung gesetzt wird, versucht das Buch zu verstehen, wie die Partei China heute regiert, und bietet aufschlussreiche Hinweise auf ihre Zukunft. 

Rezension von Valarie Tan, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei MERICS 

IM PROFIL

#AlibabaFemale: Mutige junge Frau löst Debatte über frauenfeindliche Kultur in Chinas Tech-Firmen aus

Ihr Name wird zum Schutz ihrer Privatsphäre geheim gehalten: Mit Hashtags wie #AlibabaFemale (#阿里巴巴女员工) hat eine Frau, die sich an die Öffentlichkeit wandte, weil sie von ihrem Vorgesetzten vergewaltigt wurde, überwältigende Unterstützung erhalten. Ihr Mut hat einen der mächtigsten Tech-Giganten Chinas gezwungen, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz öffentlich zu thematisieren. 

Die Frau gibt an, von ihrem Vorgesetzten während einer Geschäftsreise Ende Juli vergewaltigt worden zu sein. Sie ging mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit, nachdem das Unternehmen nicht auf ihre Beschwerden reagiert hatte. Aufnahmen zeigten, dass ihr Vorgesetzter bei einem Hotelaufenthalt viermal nachts ihr Zimmer betrat, nachdem er vom Hotelpersonal einen Schlüssel erhalten hatte. Die Frau meldete den Vorfall der Personalabteilung von Alibaba, die aber nichts unternahm. Daraufhin verteilte sie Flugblätter in der Firmenkantine und lud einen Bericht über den Übergriff ins Intranet des Unternehmens hoch, in dem sie ihre Tortur und die anschließende Untätigkeit von Geschäftsleitung und Personalabteilung dokumentierte. 

Der Bericht wurde am 7. August auf dem chinesischen Twitter-Pendant Weibo gepostet und verbreitete sich dort. Als Reaktion auf den folgenden öffentlichen Aufschrei versprach der CEO von Alibaba, Daniel Zhang, eine Null-Toleranz-Politik gegen sexuelle Belästigung im Unternehmen.  

Die Enthüllung wirft auch Fragen auf über die Rolle von Frauen in der chinesischen Technologiebranche und hat Online-Debatten über unangemessene Kennenlernspiele, die Trinkkultur in Unternehmen und die halbherzige Reaktion von Personalabteilungen auf solche Vorfälle ausgelöst.  

Wie ihre weltweiten Pendants kämpfen auch die chinesische #MeToo-Bewegung und feministische Gruppen dafür, Frauenfeindlichkeit in der chinesischen Gesellschaft aufzuzeigen. Trotz des Drucks der Regierung und der wiederholten Schließung von Foren setzen sie ihren Einsatz für mehr Gleichberechtigung fort. Die Alibaba-Mitarbeiterin steht damit auch für die veränderte Haltung der chinesischen Frauen, die sich zunehmend weigern, Ungerechtigkeit schweigend hinzunehmen. 

Medienberichte und Quellen: 

MERICS CHINA DIGEST

MERICS Top 3

Innenpolitik, Gesellschaft und Medien:

Wirtschaft, Finanzen und Technologie:

Internationale Beziehungen: