Students proceed through Harvard Yard during commencement ceremonies at Harvard University, Thursday, May 29, 2025, in Cambridge, Mass.
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Trumps Kurs gegen internationale Studierende + US-China-Beziehungen + Seltene Erden

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Trumps Kurs gegen internationale Studierende entfacht Wettbewerb um klügste Köpfe

Die USA haben vergangene Woche angekündigt, die Aufenthaltsgenehmigungen chinesischer Studierender „aggressiv” zu widerrufen. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen nicht nur für chinesische Studierende in den USA, sondern auch für Chinas Wettbewerbsfähigkeit in wichtigen Technologiebereichen. Rund 300.000 Chinesinnen und Chinesen studieren aktuell an US-Universitäten, die weltweit führend bei Forschung und Ausbildung sind. Ein Rückgang des internationalen Austauschs würde auch den USA selbst schaden.

China hat wenig Spielraum für Gegenmaßnahmen. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist die Zahl der Studierenden aus den USA in China von 11.000 auf 800 eingebrochen. Vergeltungsmaßnahmen würden zudem Xi Jinpings Ziel unterlaufen, China zur Wissenschafts-Supermacht und weltweit führenden Bildungsnationen zu machen. Austauschprogramme und das Anwerben von Talenten sind zentrale Elemente von Beijings Strategie.

Bereits die erste Trump-Regierung hatte versucht, chinesische Studierende mit Verbindungen zum Militär vom Studium an US-Hochschulen auszuschließen und eine, inzwischen ausgesetzte, umstrittene Initiative zur Bekämpfung von Wissenschaftsspionage gestartet. Der nun beschlossene Entzug von Aufenthaltsgenehmigungen richtet sich gegen Personen mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas sowie Studierende „sensibler“ Fachrichtungen. Es fehlen jedoch konkrete Details, was die Maßnahme intransparent und schwer durchsetzbar macht.

Das chinesische Außenministerium verurteilte die Entscheidung als diskriminierend und Politisierung des Bildungsaustauschs. Nationalistische Kreise sehen darin hingegen eine Chance, Talente zurückzuholen und die Attraktivität des US-Bildungssystems zu mindern. Zudem hat der Entschluss anti-amerikanische Stimmungen verstärkt und zugleich den Stolz auf chinesische Forscher im Bereich Künstliche Intelligenz gestärkt, von denen die USA abhängig wären. China könnte nun den Reputationsverlust der USA versuchen zu nutzen und mehr Talente anzuziehen. Viele Studierende, die jahrelang auf die Zulassung an einer US-Universität hingearbeitet haben, sind jedoch angesichts der schlechten Berufsaussichten im In- und Ausland verzweifelt.

Die unberechenbare Politik der USA treibt chinesische Studierende und Forschende in andere, stabilere Staaten wie Großbritannien, Kanada und Japan. Viele Universitäten nutzen diese Gelegenheit. So hat beispielsweise die Hong Kong University of Science and Technology betroffenen Harvard-Studierenden eine bedingungslose Zulassung angeboten. Universitäten in Japan, Südkorea und Malaysia sind diesem Beispiel gefolgt. In Deutschland hat Berlin Werbekampagnen in großen US-Medien gestartet, um US-Wissenschaftler anzulocken.

„Ein pauschales Verbot für chinesische Studierende behindert Beijings technologische Ambitionen, birgt jedoch auch für die USA die Gefahr einer Abwanderung der besten und klügsten Köpfe – weshalb es letztlich beiden Seiten schaden könnte.“ 
Daria Impiombato, Senior Analyst bei MERICS

Medienberichte und Quellen:

METRIX

257 Millionen

Das ist die Summe in Real (etwa 40 Millionen Euro), den die brasilianische Regierung vom chinesischen E-Autobauer BYD und zwei seiner Zulieferer als Schadenersatz fordert. Die Staatsanwaltschaft wirft den Unternehmen „sklavenähnliche Arbeitsbedingungen“ auf einer Fabrik-Baustelle vor, auf der 220 chinesische Arbeiter beschäftigt waren. Die Klage ist ein weiterer Rückschlag für chinesische E-Autohersteller, die sich im Ausland mit zunehmenden Beschränkungen konfrontiert sehen. Brasilien zählt zu den größten Exportmärkten des Branchenriesen BYD. (Quelle: BBC)

Topics

Spannungen zwischen China und USA verschärfen sich bei Shangri-La-Dialog

Chinas Verteidigungsminister Dong Jun hat erstmals seit 2019 nicht am bedeutendsten Verteidigungsforum Asiens, dem Shangri-La-Dialog, teilgenommen. Seine Abwesenheit ist auch ein Zeichen für die wachsenden Risse zwischen Beijing und Washington mit potenziell schwerwiegenden Folgen für den Indopazifik-Raum. Es ist zu vermuten, dass Beijing Treffen mit ranghohen US-Vertretern vermeiden will, solange der Konflikt ungelöst ist. 

Doch durch die Absage Dong Juns hat Beijing nicht nur eine Gelegenheit für ein Treffen mit US-Verteidigungsminister Pete Hegseth verpasst, sondern den USA auch die Bühne überlassen, um Chinas Verhalten und Ambitionen in der Region scharf zu kritisieren. 

Hegseth warf China in seiner Rede vor, nach Hegemonie im Indopazifik zu streben. Er hob die potenziell „unmittelbare” Bedrohung hervor, die China für Taiwan darstellt. Er machte deutlich, dass die USA im Falle eines Angriffs Chinas entschlossen antworten würden. Erst am darauffolgenden Tag kritisierten Sprecher des chinesischen Außen- und Verteidigungsministeriums Hegseths „verleumderische” Behauptungen und warnten die USA davor, in der Taiwan-Frage „mit dem Feuer zu spielen”. 

Da China den Druck auf Staaten in der Region verstärkt und die USA ihre Aufmerksamkeit stärker auf den Indopazifik richten, wird das Risiko einer Konfrontation dort weiter steigen. Zusätzlich erhöht wird dies durch das mangelnde Vertrauen und die fehlende Kommunikation auf höchster Ebene zwischen den USA und China. Daher bevorzugt Beijing möglicherweise Formate, in denen es seine Argumente einem wohlwollenderen Publikum präsentieren kann.

„Beijing bereitet sich auf verschärfte Spannungen mit den USA und ein konfrontativeres Umfeld im Indopazifik vor. Es priorisiert Foren, in denen es seine Standpunkte einem aufgeschlosseneren Publikum darlegen kann, um Partnerschaften zu stärken und die Position der Vereinigten Staaten zu schwächen.“  
Helena Legarda, Lead Analyst bei MERICS

Medienberichte und Quellen:

US-chinesischer Handelskrieg wird weniger dramatisch, aber unberechenbarer

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist in eine neue Phase eingetreten, nachdem US-Gerichte und die wirtschaftliche Realität den pauschalen Zöllen von Donald Trump einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Der Plan des US-Präsidenten, China mit einem Schlag außer Gefecht zu setzen, dürfte von kleineren, aber unberechenbaren Maßnahmen abgelöst werden. Die am 12. Mai zwischen Washington und Beijing vereinbarte „Waffenruhe” hat nicht lange gehalten; beide Seiten werfen einander vor, dagegen verstoßen zu haben. China kritisiert die USA für neue Exportkontrollen und deren Vorgehen gegen chinesische Studierende, während die USA Chinas anhaltende Exportkontrollen für Seltene Erden bemängeln. 

Das Weiße Haus dürfte zwar weitere Handelsbeschränkungen verhängen, jedoch nicht zu den wirtschaftlich untragbaren und in vielen Fällen möglicherweise rechtswidrigen hohen Zöllen zurückkehren. An deren Stelle könnten weniger berechenbarere, auf spezifische Handels- und Technologiesektoren abzielende Maßnahmen treten, wie auch die gegen chinesische Studierende. Während sich das Trump-Team zuvor auf breit angelegte Zölle geeinigt hatte, werden nun verschiedene Akteure in der Regierung daran arbeiten, gezielte Instrumente wie sorgfältig ausgewählte Exportkontrollen oder Importbeschränkungen einzusetzen.

China dürfte wie in den vergangenen sieben Jahren defensiv und reaktiv bleiben. Das Instrumentarium Beijings ist kleiner als das Washingtons, doch die Zahl der verfügbaren Werkzeuge wächst. Schließlich dürfte China koordinierter reagieren als die USA und sich bemühen, deren Maßnahmen taktisch entgegenzuwirken und zugleich seine übergeordneten strategischen Ziele zu verfolgen: die Abhängigkeit von US-Technologien und -Verbrauchern zu verringern.

„Eine erneute Eskalation mit extremen Zöllen auf alle chinesischen Einfuhren ist unwahrscheinlich, da sowohl die USA als auch China gezeigt haben, dass sie die Konsequenzen nicht tragen wollen. Stattdessen erwartet Trump von seinem Team, andere Hebel zu finden. Xi dürfte unterdessen nach Wegen suchen, so viel Zeit wie möglich zu gewinnen, um seine Ambitionen für die technologische und wirtschaftliche Unabhängigkeit Chinas voranzutreiben.“
Jacob Gunter, Leiter des Programms Wirtschaft und Industrie bei MERICS

Medienberichte und Quellen:

Chinas Exportbeschränkungen für Seltene Erden bedrohen Europas Lieferketten

Europäische Autozulieferer mussten erste Fertigungslinien aussetzen, nachdem Beijing am 4. April Exportkontrollen für sieben Seltene Erden und Permanentmagnete verhängt hatte. Mit den neuen Lizenzanforderungen reagiert China auf die jüngsten US-Zölle und Technologieexportkontrollen und stellt damit erneut die Lieferkettensicherheit und strategische Autonomie Europas auf die Probe. Ein Artikel in der parteistaatlichen „China Daily”, der Ausnahmen für europäische Halbleiterfirmen andeutete und mögliche Zugeständnisse Beijings vermuten ließ, wurde umgehend gelöscht.

Europas Hightech- und grüne Industrien – von der Automobilindustrie bis zur Windenergie – sind von Seltenen Erden abhängig, insbesondere für kritische Komponenten wie Magnete. China kontrolliert mehr als 90 Prozent der weltweiten Verarbeitung Seltener Erden. Es verfolgt eine zweigleisige Strategie: Zum einen kann Beijing diese Dominanz als geostrategisches Instrument einsetzen, um auf Maßnahmen der USA zu reagieren. Andererseits will China durch die Verschärfung der Ausfuhrbeschränkungen für wichtige Technologien und Know-how zur Verarbeitung von Seltenen Erden, wie im Dezember 2023, seinen Einfluss in dem Bereich absichern. Durch Steuerung seiner globalen Lieferungen beeinflusst es die Preisentwicklung und Bemühungen der Unternehmen um Diversifizierung, indem es Wettbewerber unterbietet.

Ein Wirtschaftskrieg mit der EU liegt nicht im Interesse Beijings, weshalb es die Exportlizenzen letztlich erteilen dürfte. Europa sollte angesichts der Politisierung des Handels mit kritischen Rohstoffen den Kurs bei seiner Strategie der Risikominderung halten. Beijing verfolgt strategische Ziele, die über den Streit mit den USA hinausgehen und auch Europa in Mitleidenschaft ziehen.

"Beijings strategische Nutzung der Dominanz bei Seltenen Erden ist inzwischen ein aktiver Hebel seiner Außenwirtschaftspolitik. Chinas Pläne, ganze Industriezweige zu dominieren, gefährden europäische Interessen. In den Wochen vor dem EU-China-Gipfel im Juli wird sich zeigen, wie Beijing wirtschaftlichen Druck und Kooperationsbereitschaft einsetzt, um seine Interessen zu verfolgen.“
Rebecca Arcesati, Lead Analyst bei MERICS

Mehr zum Thema:

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

Hongkong erhöht Sicherheitsvorkehrungen rund um Tiananmen-Jahrestag, USA und Taiwan fordern zum Gedenken auf (Reuters) 

Die Sicherheitsvorkehrungen in Hongkong sind am 36. Jahrestag der Niederschlagung der Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 wie zu erwarten streng gewesen. Die Gedenkfeiern in der Stadt hatten einst Zehntausende von Menschen angezogen, ehe das nationale Sicherheitsgesetz 2020 in Kraft trat. (4.6.2025)

Uigurische Arbeiter in Fabriken, die Weltmarken beliefern (Der Spiegel)

Nach einer Recherche von New York Times, Der Spiegel und des Bureau of Investigative Journalism werden ethnische Minderheiten aus Xinjiang zwangsweise in Fabriken in anderen Teilen des Landes geschickt, die auch globale Unternehmen beliefern sollen. (25/05/29)

Henan entwickelt seine eigene „Great Firewall“ (China Digital Times)

Die Provinz in Zentralchina zensiert offenbar eine große Anzahl von Websites, die über die von der landesweiten Great Firewall gesperrten Inhalte hinausgehen, wie eine neue Untersuchung von „Great Firewall Report“ zeigt. Die Autoren warnen vor der Entstehung einer regionalen Online-Zensur in China.  (15.5.2025)

Chinas nimmt erstes Offshore-Projekt zur Abspaltung, Verwertung und Speicherung von Kohlenstoff in Betrieb (People's Daily)

Das auf der Plattform Enping 15-1 im Perlflussmündungsbecken gelegene Projekt fängt dem Bericht zufolge das bei der Ölförderung entstehende Kohlendioxid ab, reinigt es und bringt es unter Druck in einen Zustand, in dem es unterirdisch gelagert werden kann. (22.5.2025)


Wir bedanken uns bei unseren Forschungspraktikant:innen Anna Cruz, Edwin Desailly und Ariane Kolden für ihre Beiträge zu dieser Ausgabe von MERICS China Essentials.