Merkel’s decision on Huawei creates a dilemma for the EU.Image by ImagineChina
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Entscheidung der Bundesregierung zum 5G-Ausbau stellt die EU vor ein Dilemma

China Update 15/2019

METRIX

Wegen des verheerenden Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest sind die Preise für Schweinefleisch in China im September um 69,3 Prozent in die Höhe geschnellt. China ist weltweit der größte Produzent von Schweinefleisch, das ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Küche ist. Die Preisexplosion trug maßgeblich dazu bei, dass die Lebensmittelpreise insgesamt im September um 11,2 Prozent anstiegen.

Thema der Woche

Entscheidung der Bundesregierung zum 5G-Ausbau stellt die EU vor ein Dilemma

In den Augen vieler war es ein herber Rückschlag für die Einigkeit und die technologische Souveränität der Europäischen Union: am 15. Oktober präsentierte die Bundesregierung ihren Entwurf zu den Sicherheitsanforderungen für die Telekommunikationsnetze. Das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vorbereitete Dokument erlaubt chinesischen Anbietern wie Huawei und ZTE, sich am Ausbau der wichtigen 5G-Infrastruktur in Deutschland zu beteiligen.

Der Entwurf wurde nur wenige Tage nach dem Bericht der europäischen Kommission und der EU-Cybersicherheitsagentur veröffentlicht, der eine EU-weit koordinierte Risikobewertung in Bezug auf die Cybersicherheit in den 5G-Netzen fordert. Darin verweist die Kommission auf die komplexen Sicherheitsbedrohungen bei Mobilfunknetzen und auch auf (geo-)politische Faktoren. Eine nicht-bindende Liste mit Schutzmaßnahmen auf nationaler und EU-Ebene soll Ende des Jahres folgen.

China wird in dem EU-Bericht nicht explizit genannt, er ist dennoch als deutlicher Hinweis auf die Gefahren zu werten, die von einer Beteiligung von Anbietern wie Huawei und ZTE am Ausbau der europäischen 5G-Netze ausgeht. Die Anfälligkeit einzelner Lieferanten für die Beteiligung von Nicht-EU-Ländern beeinflusse deren Risikoprofil, heißt es in dem Bericht. Beziehungen zum jeweiligen Staat, die Eigentümerschaft und das rechtliche Umfeld, in dem Unternehmen tätig sind, seien bei der Bewertung des Risikos staatlicher Eingriffe zu berücksichtigen, insbesondere, „wenn es keine legislative oder demokratische Gewaltenteilung gibt“.

Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Bundesregierung in ihrer Bewertung der Sicherheit von 5G-Netzen auf technische Risiken. Dass eine Klausel gestrichen wurde, die Huawei vom 5G-Ausbau in Deutschland ausschließen würde - Berichten zufolge eine Entscheidung der Bundeskanzlerin – ist ein Signal an andere Mitgliedsländer, aber auch an Verbündete der EU.

Für große deutsche Unternehmen ist China ein wichtiger Markt, es stellt sich die Frage, ob Berlin mit diesem Schritt kurzfristige wirtschaftliche Interessen über die sicherheitspolitische und technologische Autonomie Europas stellt. In Deutschland stieß der Entwurf der Bundesregierung auch deshalb auf Widerstand. Eine Gruppe von Abgeordneten um den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses und CDU-Politiker Norbert Röttgen forderte, das Parlament über Zugänge zum 5G-Ausbau entscheiden zu lassen.

Die derzeitigen Richtlinien verlangen von Netzwerkausstattern nur, dass diese ihre Vertrauenswürdigkeit in einer Erklärung zusichern. Kritiker argumentieren, dass chinesische Unternehmen nach der dort geltenden Rechtslage nicht vor staatlichen Eingriffen geschützt sind.

Da die Kompetenzen für den Ausbau von 5G-Netzen nicht bei der EU liegen, entscheiden die Mitgliedsländer selbst, welche Technologien beim Ausbau der nationalen Netze eingesetzt wird. Die Positionen zu Chinas Rolle in dem Zusammenhang sind in der EU sehr unterschiedlich, wie auch sonst in anderen geo- und sicherheitspolitischen Fragen. Italien hat der Regierung größere Befugnisse verliehen, um Aufträge für nicht-europäische Netzausrüster zu prüfen. Polen hat ein Abkommen mit den USA unterzeichnet, das den Einfluss Huaweis in der Region einschränken soll. Andere Länder nehmen hingegen mehr Rücksicht auf Befindlichkeiten in China.

„Die Risiko-Bewertung der EU-Kommission ist zwar nicht bindend, der geschärfte Blick für die nicht-technischen, politischen Aspekte der Sicherheit von 5G-Netzen wäre aber eine gute Grundlage für ein gemeinsames europäisches Vorgehen gewesen. Das wird durch die Berliner Entscheidung nun deutlich schwieriger.“ Rebecca Arcesati, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Außenpolitik am MERICS.

MERICS AnalyseMerkel’s China challenge – signaling distance and conditional engagement. Blogbeitrag von Mikko Huotari.

China und die Welt

China-Indien Gipfel vor Hintergrund verschärfter Spannungen im Kaschmir-Konflikt

Inmitten verschärfter Spannungen um die Region Kaschmir ist Chinas Präsident Xi Jinping mit ranghohen Politikern aus Indien und Pakistan zusammengetroffen. Xi besuchte am 11. und 12. Oktober seinen indischen Amtskollegen Narenda Modi, zuvor hatte der pakistanische Premierminister Imran Khan Beijing besucht. China sitzt in dem Konflikt zwischen den Stühlen: Pakistan ist ein traditionell wichtiger Verbündeter, zugleich bemüht sich die chinesische Regierung um bessere Beziehungen zu Indien.

Im August hatte die indische Regierung den Sonderstatus des autonomen Bundesstaat Jammu und Kaschmirs aufgehoben. Neu-Delhi will den Staat in zwei, von der Zentralregierung kontrollierte Gebiete aufteilen und hat Truppen in der Region stationiert. Seit der Teilung Indiens und Pakistans mit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1947 erheben beide Länder Anspruch auf Kaschmir.

Das Treffen von Xi und Modi endete mit Stellungnahmen, in denen sich beide Seiten für die Verbesserung der bilateralen Beziehungen aussprachen. Berichten zufolge wurde Kaschmir in den Gesprächen nicht thematisiert.

Nur drei Tage zuvor, am 8. Oktober, hatte der pakistanische Premierminister Imran Khan Beijing besucht. Xi beschrieb die beiderseitigen Beziehungen in dem Treffen als sehr stabil. Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang versicherte Khan die Unterstützung Chinas beim Schutz seiner Souveränität und staatlichen Integrität. Beim Thema Kaschmir blieb China aber auch hier zurückhaltend.

Auch China und Indien streiten über einen Teil Kaschmirs. In der Vergangenheit hatte Beijing die Entscheidung Indiens, der Region ihren halbautonomen Status zu entziehen, als „inakzeptabel“ und „nicht bindend“ bezeichnet. Beijing unterstützte auch eine Anfrage Pakistans für eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu dem Konflikt.

„China versucht offenbar, ein gutes Verhältnis mit beiden Ländern zu wahren. Es ist jedoch unklar, ob Indien darauf eingeht, da es in Beijing immer noch einen festen Verbündeten Pakistans sieht.“ Helena Legarda, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Außenpolitik am MERICS.

Taiwan ist zentrales Thema auf Chinas Forum für Sicherheitspolitik

Der Status Taiwans ist eines der zentralen Themen auf dem Xiangshan-Forum zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik diese Woche in Beijing gewesen. In seiner Eröffnungsrede bezeichnete der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe die “Taiwan-Frage” als Chinas vorrangiges nationales Interesse. Keine Macht könne die Wiedervereinigung der Insel mit dem chinesischen Festland verhindern. Wei betonte auch, dass die Diaoyu-Inseln, in Japan Senkaku-Inseln genannt, und das Südchinesische Meer ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums seien.

Das Xiangshan-Forum wurde 2006 von China ins Leben gerufen. Beijing präsentiert dort – in Kontrast zum Shangri-La-Treffen in Singapur - seine eigenen sicherheitspolitischen Standpunkte. Die Themen, die auf dem Forum und in der Rede des Verteidigungsministers prominent erwähnt werden, erlauben häufig Rückschlüsse auf Chinas aktuelle Prioritäten in der Sicherheitspolitik. Das diesjährige Treffen war geprägt von den bevorstehenden Wahlen in Taiwan im Januar, wachsenden Spannungen mit den USA und den anhaltenden Protesten in Hongkong.

In seiner Rede warnte Wei mit Blick auf Hongkong vor der Einmischung in die innenpolitischen Angelegenheiten anderer Länder. Der Tonfall war jedoch deutlich weniger aggressiv als im vergangenen Jahr. Damals hatte er den USA vorgeworfen, den beiderseitigen Beziehungen zu schaden. Das kann als Hinweis gewertet werden, dass Beijing eine weitere Eskalation der Spannungen vermeiden möchte – vermutlich in der Hoffnung auf eine Fortsetzung der Verhandlungen im Handelsstreit.

Laut offiziellen Angaben kamen 1300 Teilnehmer zum Xiangshan-Forum, darunter 23 Verteidigungsminister, unter anderem aus Kambodscha, der Mongolei, Singapur, Nepal, Südkorea, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. 76 Delegationen und acht internationale Organisationen waren auf dem Forum vertreten.

Kurz gemeldet

  • Studie: Chinesische Handelskammer in EU fordert bessere Bedingungen für chinesische Unternehmen
  • Empörung: Vietnam untersagt US-Film wegen China-freundlicher Darstellung von Hohheitsgebieten im Südchinesischen Meer
  • Absage: Chinesischer Staatskonzern zieht sich laut Berichten aus milliardenschwerem Öl-Deal im Iran zurück

Innenpolitik, Gesellschaft und Medien

Zensur im Ausland: US-Basketballliga NBA bekommt chinesische Kritik zu spüren

Als der Manager der NBA-Mannschaft Houston Rockets, Daryl Morey, am 4. Oktober einen Tweet mit der Parole “Kampf für Freiheit, Unterstützung für Hongkong“ verschickte, ließ die chinesische Reaktion nicht lange auf sich warten. In einer offiziellen Stellungnahme äußerte sich das chinesische Konsulat in Houston „schockiert“. Die chinesische Basketball-Liga kappte ihre Beziehungen zu den Houston Rockets.

Das US-Basketball-Team unterhielt seit Jahren enge Beziehungen nach China, da der chinesische Basketball-Superstar Yao Ming dort als Spieler Karriere gemacht hatte. Die Bemühungen um Schadensbegrenzung sorgen jedoch für Kritik in den USA: Während die englische Version einer Erklärung der NBA lediglich vermerkte, Morey habe mit seinen Äußerungen viele in China verletzt, ging die chinesische Version einen Schritt weiter. Dort hieß es, die NBA sei „extrem enttäuscht über Moreys unangemessene Äußerung“. Auch NBA Commissioner Adam Silver konnte die Kritik durch ein klares Bekenntnis zur freien Meinungsäußerung nicht beruhigen. NBA-Star LeBron James schaltete sich in die Debatte ein und warf Morey vor, sich in Dinge eingemischt zu haben, von denen er keine Ahnung habe. In China wurde dieser Kommentar begrüßt, in den USA und Hongkong allerdings wurde LeBron ein unangemessener Kotau vor China vorgeworfen. Silver behauptete sogar, dass die chinesische Seite aufgrund des Tweets Moreys Entlassung gefordert hätte, was vom chinesischen Außenministerium bestritten wurde.

Der Eklat um Moreys Äußerung zeigt erneut, wie konsequent China in der jüngeren Zeit seine Wirtschaftskraft zur Durchsetzung politischer Interessen einsetzt. Die Entschuldigung der NBA reiht sich ein in eine lange Liste von Fällen, in denen ausländische Unternehmen sich für von der chinesischen Seite kritisierte Äußerungen und Handlungen entschuldigt haben.

Dies kommt wiederum beim westlichen Publikum nicht gut an: Der IT-Konzern Apple zum Beispiel wurde heftig kritisiert, als er eine App aus seinem App-Store entfernte, die von Hongkonger Demonstranten genutzt wurde, um der Polizei aus dem Weg zu gehen. Spieleentwickler Blizzard wiederum sieht sich mit Boykott-Aufrufen seiner westlichen Kunden konfrontiert, weil er den Profi-Spieler Ng Wai Chung für zwölf Monate sperrte, nachdem dieser seine Unterstützung für die Hongkonger Proteste ausgedrückt hatte. Als eine Folge der Zeichentrick-Serie „South Park“ in China verboten wurde, die sich über Zensur lustig gemacht hatte, sorgte die satirisch formulierte Entschuldigung der Macher für Aufsehen beim Publikum.

 „Unter westlichen Konsumenten regt sich Widerstand dagegen, Chinas Forderungen einfach nachzugeben. Damit ist die Strategie vieler Unternehmen, sich durch schnelles Entschuldigen Ärger mit den chinesischen Behörden zu ersparen, auf Dauer nicht durchzuhalten.“ Katja Drinhausen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im MERICS-Programm Innenpolitik

MERICS-Analyse: Chinas Public Diplomacy: Wachsendes Reputationsrisiko für internationale Unternehmen. MERICS China Monitor von Kerstin Lohse-Friedrich

Internet-Gipfel in Wuzhen: Propaganda-Minister prangert „Kalte-Kriegs-Mentalität“ im Netz an

Mehr als 1500 Teilnehmer aus 80 Ländern sind der Einladung Chinas zur sechsten Internet-Konferenz in der ostchinesischen Stadt Wuzhen gefolgt. Die chinesische Regierung nutzte das Treffen, um ihre Auffassung der nationalstaatlichen Kontrolle über das weltweite Netz zu bekräftigen. Der Leiter der Propaganda-Abteilung der Kommunistischen Partei (CCP), Huang Kunming, kritisierte in seiner Eröffnungsrede die „Kalte-Kriegs-Mentalität“ und „Mobbing-Verhalten“. Beides untergrabe das Vertrauen im Netz. Huang nannte in seiner Kritik keine Staaten explizit.

Die Konferenz stand unter dem Motto „Intelligente Konnektivität für Offenheit und Zusammenarbeit – Der Aufbau einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft im Cyberraum“. Huang bezog sich in seiner Rede explizit auf Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, der das Internet als „Entwicklungs-, Sicherheits- und Interessengemeinschaft“ definiert.

Beijing bemüht sich seit einiger Zeit darum, eine aktive Rolle in Fragen der Internetregulierung einzunehmen und propagiert sein Konzept der „Cyber-Souveränität“, nach dem Staaten ihre Internet-Infrastruktur selbst regulieren und kontrollieren und Inhalte der Zensur unterwerfen können. Berichten zufolge wollten China und Russland auf der Konferenz ein Abkommen über die „Bekämpfung illegaler Internet-Inhalte“ schließen.

Ausländische Internetriesen wie Google, Twitter, Facebook, deren Portale in China gesperrt sind, und auch Apple blieben dem Treffen in Wuzhen in diesem Jahr fern. Andere internationale Firmen waren allerdings zahlreich vertreten. Chinesische Unternehmen wie Alibaba, Tencent, JD oder Pinduoduo präsentierten eine Reihe von neuen Produkten. Die Themen 5G-Ausbau und Künstliche Intelligenz standen im Mittelpunkt der Konferenz. China ist mit 850 Millionen Internetnutzern zu einem Innovationstreiber im Bereich Internet und Telekommunikation geworden und bestimmt zunehmend auch internationale Standardsetzung mit.

MERICS-Analyse: China’s digital rise. Challenges for Europe. MERICS Paper on China von Kristin Shi-Kupfer und Mareike Ohlberg.

Kurz gemeldet

  • Hongkong: Regierungschefin Carrie Lam Berichten zufolge vor Ablösung
  • Zugriff: App zum Ideologiestudium greift persönliche Daten ab
  • Ablehnung: Taiwans Präsidentin erteilt Chinas Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ deutliche Absage
  • Ausschluss: USA setzen chinesische Organisationen wegen Xinjiang auf Entity List

Wirtschaft, Finanzen und Technologie

Handelskonflikt und schwacher Binnenkonsum bremsen Wachstum im dritten Quartal aus

Im dritten Quartal dieses Jahres ist Chinas Wirtschaftswachstum auf den niedrigsten Stand seit fast 30 Jahren gefallen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs noch um sechs Prozent, im Vorquartal waren es 6,2 Prozent gewesen. Die schwächere Wirtschaftsleistung ist vor allem auf den Rückgang des Konsums zurückzuführen, der 3,75 Prozentpunkte des Wachstums beitrug. Der Handelskonflikt mit den USA wirkte sich deutlich auf die Exporte aus, welche im September um 3,2 Prozent nachgaben.

Viele Indikatoren deuten auf eine schwache Nachfrage, unter anderem Privatinvestitionen, Produzentenpreise und Importe. Die chinesische Regierung versucht weiterhin, die Wirtschaft durch Anreize zu stimulieren. Dennoch trugen Investitionen nur 1,2 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei, vermutlich aus Mangel an interessanten Projekten.

Exporte wirkten sich im Verhältnis nicht so stark auf das BIP-Wachstum aus, obwohl der Handelskonflikt mit den USA deutliche Spuren hinterlässt. Die Nettoexporte trugen aber immerhin noch 1,2 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Auslandsinvestitionen in Exportindustrien sind wegen des Konflikts aber deutlich zurückgegangen.

Über das ganze Jahr gerechnet wird der von Chinas Regierung angestrebte Wachstumskorridor von sechs bis 6,5 Prozent noch einzuhalten sein. Das nominale BIP allerdings, das inflationsbereinigte Preise berücksichtigt, sank um 0,7 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent. Diese Tatsache ist Anlass zur Sorge, denn das Kreditwachstum ist im gleichen Zeitraum nicht zurückgegangen. Im Gegenteil ist die Kreditaufnahme um 10,7 Prozent angestiegen.

“Sollte das BIP-Wachstum unter die Schwelle von sechs Prozent fallen, wird das die chinesische Regierung in große Unruhe versetzen. Vor dem 100. Geburtstag der KPC 2021 will die Führung einen Einbruch der Wirtschaft um jeden Preis vermeiden. In den kommenden Quartalen wird es eine Herausforderung sein, die Risiken im Finanzsystem unter Kontrolle zu halten und gleichzeitig das BIP-Wachstum stabil zu halten.“ Max J. Zenglein, Leiter des Wirtschaftsprogramms am MERICS.

MERICS-Analyse: China's economy in Q3: Negative effects of trade conflict are increasingly measurable. MERICS Economic Indicators von Max Zenglein und Maximilian Kärnfelt.

Waffenstillstand im US-chinesischen Handelskonflikt – Ungewissheit bleibt

Nach monatelanger Eskalation haben sich die USA und China am 11. Oktober auf einen Waffenstillstand im Handelskonflikt verständigt. Die USA erklärten sich bereit, für Mitte des Monats geplante neue Zölle vorerst auf Eis zu legen. China kündigte an, mehr landwirtschaftliche Produkte aus den USA zu kaufen, unter anderem Sojabohnen. Viele Details bleiben allerdings noch offen, und die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die Annäherung jederzeit ins Gegenteil umschlagen könnte.

Die US-Regierung hatte ursprünglich ab dem 15. Oktober die Zölle auf Waren im Wert von umgerechnet rund 225 Milliarden EUR um zwischen 25 und 30 Prozent anheben wollen. Im Gegenzug zur Aussetzung dieses Schritts sagte China zu, US-Landwirtschaftsprodukte im Wert von rund 36 bis 45 Milliarden EUR zu kaufen. China sagte auch erneut zu, mehr für die Öffnung seiner Finanzmärkte, den Schutz intellektuellen Eigentums zu tun und seine Eingriffe in die Währungspolitik transparenter zu machen.

US-Präsident Donald Trump feierte die Einigung als “den großartigsten und größten Deal, den es jemals gab“. Die parteistaatlichen chinesischen Medien kommentierten deutlich zurückhaltender und vermieden das Wort „Deal“. Ein formelles Dokument wurde in Washington noch nicht unterzeichnet, beide Seiten planen, Mitte November auf einem Gipfeltreffen in Chile eine Übereinkunft zu unterzeichnen.

Ein Grund dafür, dass die Konfliktparteien aufeinander zugehen, liegt sicher darin, dass der Handelskonflikt beide Länder mittlerweile wirtschaftlich in Mitleidenschaft zieht, insbesondere China. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds könnte Chinas reales BIP 2020 um zwei Prozent einbrechen. Für die USA rechnet der IWF mit einem Rückgang von 0,6 Prozent. Die US-Notenbank hat bereits die Leitzinsen gesenkt, damit sich die einheimische Wirtschaft gegen negative Folgen des Handelsstreits wappnen kann.

In dem seit Anfang 2018 anhaltenden Handelsstreit zwischen China und die USA wechseln sich Phasen der Verständigung mit erneuten Konfrontationen ab. Die informelle Übereinkunft in Washington muss auch als instabil betrachtet werden.

Kurz gemeldet

  • Öffnung: Bundesregierung will Huawei nicht von 5G-Ausbau ausschließen
  • Urteil: Chinesisches Gericht ermöglicht Privatinsolvenz
  • Leerstand: China verfügt über so viel freie Büroräume wie seit zehn Jahren nicht
  • Rückgang: Verkäufe von Elektroautos brechen um mehr als ein Drittel ein

Im Profil

Von Superstar zu unsichtbar

Ihre makellosen Züge und ihre darstellerische Kunst sind auch dem westlichen Publikum bekannt, doch ein Steuerskandal droht nun der Karriere des chinesischen Filmstars Fan Bingbing ein Ende zu setzen. Mittels digitaler Techniken will das Produktionsstudio „Talent Television and Film“ die 38-Jährige aus der frisch abgedrehten Fernsehserie „Die Legende von Ba Qing“ ausradieren lassen. Szenen mit ihr und dem in Australien der sexuellen Belästigung beschuldigten Darsteller Gao Yunxiang sollen mit nicht näher benannten „Top-Schauspielern“ nachgedreht und ersetzt werden.

Das Studio lässt sich die aufwändige Tilgung etwas kosten, den Angaben zufolge werden umgerechnet mehr als zehn Millionen Euro für den Neudreh und die digitale Bearbeitung fällig.  Fans Hoffnung, nach dem Steuerskandal wenigstens auf die Fernsehbildschirme zurückzukehren, ist damit erst einmal zerstört. Auch ihre Karriere als Mode-Ikone liegt in Scherben: Fotos, die das Luxus-Modehaus Louis Vuitton von seiner bisherigen Markenbotschafterin auf dem Kurznachrichtendienst Weibo gepostet hatte, wurden laut Medienberichten entfernt. Über die Gründe wurde zunächst nichts bekannt.

Fan, die aus einer Schauspielfamilie mit Beziehungen zur Kommunistischen Partei stammt, hatte 2014 in China mit der TV-Serie „Die Kaiserin von China“ Furore gemacht, in Hollywood spielte sie im selben Jahr in einer Folge der X-Men-Filmserie mit. Im vergangenen Jahr wurde sie der Steuerhinterziehung angeklagt und zu einer Strafzahlung von 880 Millionen CNY (ca. 110 Millionen EUR) verurteilt. Vier Monate lang verschwand sie zum Entsetzen von Fans und Kollegen völlig von der Bildfläche, sie stand während der Ermittlungen unter Hausarrest.

Nach ihrer Verurteilung hatte sich die 1981 in Yantai geborene Actrice zerknirscht gegeben: Sie wäre nichts ohne „die Partei und die gute Politik des Staates“. Sie sei durch ein Tal gegangen, „aber das ist auch gut gewesen. Es hat mich ruhiger gemacht und dazu bewegt, mir ernsthaft über meine Zukunft Gedanken zu machen“, sagte sie laut einem Zeitungsbericht. Derzeit sieht diese Zukunft nicht rosig aus: In Hollywood wurde Fan dem Vernehmen nach von der Besetzungsliste eines Films gestrichen, und von ihrem Verlobten, Schauspieler und Regisseur Li Chen, ist sie seit Jahresanfang auch getrennt.