Massive Kreditausfälle von Staatsunternehmen – die Regierung hilft nicht
Die Fakten: Eine Serie von Anleiheausfällen staatseigener Unternehmen (SOE) überschattet Chinas wirtschaftliche Erholung von der Covid-19-Krise. Am 17. November wurde bekannt, dass die Tsinghua Unigroup, ein Halbleiterunternehmen und Schlüsselakteur für Chinas Pläne zur Modernisierung seiner Industrie, mit der Rückzahlung einer Anleihe in Höhe von 1,3 Milliarden CNY in Verzug ist. Im Oktober hatte auch das im Besitz der Provinz Liaoning befindliche Unternehmen Huachen Automotive eine fällige Anleihe nicht bedienen können. Ebenso geriet in der Provinz Henan der Kohle- und Stromproduzent Yongcheng mit einer Anleihe in Höhe von einer Milliarde CNY in Zahlungsverzug.
Die chinesische Zentralbank PBOC pumpte am 16. November 800 Milliarden CNY auf die Märkte, um die Investoren zu beruhigen. Doch sie ist offenbar zur Änderung dieser Strategie entschlossen: Auf dem WeChat-Konto der PBOC wurde eine ältere Rede von Gouverneur Yi Gang erneut verschickt. Darin bekräftigt er, dass die Investoren die Risiken ihrer Anlagen selber tragen müssen. Der einflussreiche Ausschuss für Finanzstabilität und Entwicklung kündigte derweil eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Unternehmen an, die Kredite schuldig blieben.
Der Blick nach vorn: Die anhaltende Instabilität des chinesischen Kreditmarkts und die ebenfalls schwächelnde Weltwirtschaft könnten dazu beitragen, dass sich Zahlungsausfälle häufen. Chinesische Unternehmen stehen weniger gut da als es die von der Regierung verkündete Wirtschaftserholung vermuten lässt: Die Industriegewinne seit Jahresbeginn (YTD) sind um 4,9 Prozent zurückgegangen, und der Erzeugerpreisindex fiel um 2,1 Prozent. Die Daten des dritten Quartals stimmen ebenfalls pessimistisch: Das nominale BIP wuchs nur um 1,4 Prozent, die ausstehenden Kredite stiegen um 13,5 Prozent sprunghaft an. Seit Januar hat ist die Verschuldung im Verhältnis zum BIP um 36 Prozentpunkte gestiegen. Sie hat ein Rekordhoch von 280 Prozent des BIP erreicht, Tendenz steigend.
MERICS-Analyse: Die Regierung in Beijing will das Problem der überschuldeten Unternehmen angehen und Investoren vermitteln, dass die bislang üblichen, impliziten Garantien für in Schwierigkeiten geratene Staatsunternehmen der Vergangenheit angehören sollen. Ob Beijing dies konsequent durchziehen kann, ist fraglich: Hält die Serie von Zahlungsausfällen an, könnte dies die wirtschaftliche Erholung gefährden und zu massiver Kapitalflucht führen - ein Szenario, das die politischen Entscheidungsträger unbedingt vermeiden wollen. Bei einer Verschärfung der Lage wird Beijing auch weiterhin stützend eingreifen.
Medienberichte und Quellen:
- Reuters: Tsinghua Unigroup gerät in Zahlungsverzug
- Economist: Chinas Anleihemarkt wird von überraschenden Zahlungsausfällen erschüttert
- China Banking News: Zehn staatseigene Unternehmen verursachen Anleiheausfälle in Höhe von mehr 15,7 Milliarden USD
- Wall Street Journal: Anleiheausfälle sorgen für Tumult auf chinesischem Kreditmarkt
- SCMP: Chinesische Behörden warnen zahlungsunfähige Anleihe-Ausgeber
- Rhodium Group: Studie zur Kreditwürdigkeit in China
Dieser Beitrag erschien im MERICS China Briefing vom 26. November 2020.