Trucks line up to depart from a container terminal in Nanjing in east China's Jiangsu province on Tuesday, April 8, 2025.
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
9 Minuten Lesedauer

MERICS China Essentials Spezial: US-China-Handelskrieg

Top Thema

Weltwirtschaft am Abgrund? Zölle entfachen Handelskrieg zwischen China und USA

Der Handel zwischen den USA und China steht seit der rasanten Zolleskalation zwischen Washington und Beijing in der vergangenen Woche vor dem Kollaps und die Weltwirtschaft möglicherweise vor einem Abgrund, sollte es zu einer Entkopplung der beiden größten Volkswirtschaften kommen. Selbst wenn beide Seiten sich an den Verhandlungstisch setzten, wird es angesichts der wirtschaftlichen, technologischen, sicherheits- und geopolitischen Differenzen zwischen den USA und China schwieriger, Lösungen zu finden.

China droht durch die neuen Zölle in Höhe von 145 Prozent der faktische Verlust der USA als Exportmarkt. Hinzu kommen möglicherweise die rund 20-prozentigen Zölle aus Trumps erster Amtszeit. Das würde das mit einem wirtschaftlichen Abschwung kämpfende China schwer treffen. 

Noch vor wenigen Tagen konnte China den Schulterschluss mit anderen Staaten suchen, die von den USA ebenfalls mit Zöllen belegt wurden. Da die USA nun aber alle Zölle mit Ausnahme des Basiszolls von zehn Prozent für andere Staaten pausiert haben, stehen diese nicht mehr so sehr unter Druck, sich stärker Beijing zuzuwenden. Die Unvorhersehbarkeit der US-Politik könnte immer noch dazu führen, dass manche Länder sich verstärkt China zuwenden. Dennoch kann China, auf das nur 12 Prozent des weltweiten Endverbrauchs entfallen, als Exportmarkt nicht mit den USA mithalten, deren Anteil bei 30 Prozent liegt. 

Da China nun Ersatzmärkte für seine Exporte suchen muss, verschärft sich ein Problem, mit dem viele Märkte bereits jetzt konfrontiert sind, drastisch: Chinas Überkapazitäten und die damit einhergehenden Preisverzerrungen. Viele von Chinas Handelspartnern haben in den vergangenen Jahren bereits damit begonnen, Schranken gegen steigende Einfuhren aus China zu errichten. Sie werden voraussichtlich auf jeden neuen Anstieg der Exporte Chinas reagieren, einschließlich derjenigen, die ursprünglich für die USA bestimmt waren. 

Beijing wird die Zusammenarbeit mit möglichst vielen anderen Ländern anstreben. Gleichzeitig dürfte sich Beijing in seiner Entscheidung bestätigt fühlen, in den vergangenen Jahren der wirtschaftlichen und technologischen Eigenständigkeit eine hohe Priorität eingeräumt zu haben. Beijing möchte zum jetzigen Zeitpunkt eine Abkopplung von den USA vermeiden, vor allem zu deren Bedingungen, strebt diese aber auf längere Sicht selbst an.

Die Welt blickt gespannt auf China und die Frage, ob Beijing weitere Gegenmaßnahmen ergreifen wird. Auch wenn ein Nachgeben gegenüber Trump unwahrscheinlich ist, dürfte Beijing sehr an einer Verhandlungslösung gelegen sein – allerdings nur aus einer Position der Stärke heraus. China hat immer noch Möglichkeiten, die USA empfindlich zu treffen: Es könnte den Handel mit Dienstleistungen ins Visier nehmen, bei dem die USA einen Überschuss gegenüber China aufweisen. China könnte auch auf die Exportkontrollen zurückgreifen, die es zuletzt schon in Regulierungen ausgeweitet hatte, und Exporte in die USA und andere Länder auch de facto blockieren. Und es könnte die Schrauben bei US-Investoren in China anziehen. Doch sind solchen Schritten auch Grenzen gesetzt, da diese Unternehmen in China zum dringend benötigten Wachstum, der Schaffung von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen beitragen.

Jacob Gunter, Lead-Analyst am MERICS: „Beide Seiten haben die Tür für Verhandlungen offengelassen. Ob diese eine nachhaltige Lösung hervorbringen können, ist fraglich, da die wirtschaftlichen, technologischen, sicherheits- und geopolitischen Interessen der USA und China zunehmend unvereinbar sind. Wir sind noch nicht bei einer vollständigen Entkopplung angekommen, und in den kommenden Wochen wird es auf beiden Seiten Druck geben, Ausnahmen für kritische Technologieimporte zu ermöglichen. Gerade diese Lieferketten sind jedoch am stärksten den Ausfuhrkontrollen der anderen Seite ausgesetzt, und ein mögliches Abgleiten auf eine weitere Eskalationsstufe könnte die Welt in einen Abgrund aus umfassender Entkopplung und Patchwork-Globalisierung stürzen." 

Medienberichte und Quellen:

METRIX

76

So viele chinesische Militärflugzeuge wurden am ersten Tag der zweitägigen Übung „Strait Thunder - 2025A“ Anfang April in der Nähe von Taiwan gesichtet. Bei dieser größten Machtdemonstration der Volksbefreiungsarmee seit Oktober überquerten etwa 37 Flugzeuge die sogenannte Median-Linie in der Straße von Taiwan und drangen in die von der Insel definierte Luftverteidigungszone ein. Berichten zufolge wurden Langstreckenbomber mit der neuen ballistischen Rakete KD-21 ausgerüstet, einer Waffe, die China erstmals in die Lage versetzt, US-Stützpunkte und Seestreitkräfte von Japan bis Südkorea anzugreifen. (Quelle: Ministry of National Defense, Taiwan)

Themen

Chinas Führung projiziert Stabilität und setzt auf Eigenständigkeit

Die Regierung in Beijing will sich der aggressiven Zollpolitik der USA nicht beugen, versucht aber zugleich in einem schwierigen Balance-Akt Wege zu Verhandlungen offenzuhalten. Das Handels- und das Außenministerium erklärten mit Blick auf die Zoll-Androhungen der US-Regierung, China werde „bis zum Ende zu kämpfen, sollte die USA auf ihrem Weg beharren“. Die Ministerien fügten zugleich hinzu, China sei zu Verhandlungen „auf Augenhöhe“ und „auf der Basis gegenseitigen Respekts“ bereit. 

Die schnelle und entschlossene Reaktion zeigt, dass Beijing auf die neue Eskalation des Konflikts mit den USA besser vorbereitet ist als während Trumps erster Amtszeit als US-Präsident. Mit Blick auf die eigene Bevölkerung versucht die Regierung, ein Bild der Stärke und Stabilität im eigenen Land vermitteln. Sie unterstreicht zudem die Notwendigkeit, nach wirtschaftlicher und technologischer Eigenständigkeit zu streben. 

Zwei jüngere Artikel des Staatsmediums People's Daily spiegeln die Entschlossenheit der Kommunistischen Partei, an ihrem langfristigen Entwicklungspfad festzuhalten. An die chinesische Öffentlichkeit gerichtet hieß es, trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen werde „der Himmel nicht einstürzen“. China werde „Druck in Motivation umwandeln“ und sich „auf seine eigenen Angelegenheiten konzentrieren“. Die Partei betonte zudem ihre Bereitschaft, die Auswirkungen des Handelskriegs abzufedern, unter anderem durch Maßnahmen zur Ankurbelung des Binnenkonsums, zur Stabilisierung des Marktvertrauens und zur Unterstützung von Unternehmen. 

Es ist ein rhetorischer Balanceakt: China betont die eigene Stärke, signalisiert jedoch auch, zu Gesprächen bereit zu sein. In einem am Mittwoch veröffentlichten Weißbuch legt Beijing seine Position zu den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den USA dar. Darin betont es auch die Bedeutung der Beziehungen beider Länder und ruft zum Dialog auf.

Christina Sadeler, Senior Analyst am MERICS: "Beijing inszeniert sorgfältig das Bild eines stabilen und selbstbewussten Chinas, das bereit ist, sich Druck von außen zu stellen und gleichzeitig die eigene langfristige Entwicklungsstrategie weiter zu verfolgen. Die KPC will davon überzeugen, dass sie auch in höchst unbeständigen Zeiten die Situation unter Kontrolle hat.”

Medienberichte und Quellen:

Chinas Ringen um Verbündete im Zoll-Krieg mit den USA gestaltet sich schwierig

Donald Trump erschwert durch die vorübergehende Aussetzung von Zollerhöhungen für die meisten betroffenen Staaten Chinas Bemühungen, neue Verbündete in dem eskalierenden Streit zu finden. In einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte Premierminister Li Qiang, Beijing wolle die „Zusammenarbeit mit Ländern auf der ganzen Welt stärken“, um dem „Zollmissbrauch der USA gegen alle Handelspartner“ entgegenzuwirken. Die EU scheint am Schulterschluss mit China derzeit jedoch nicht interessiert zu sein. 

Beijing hofft, dass die Empörung über Trumps Zölle andere Staaten dazu bewegt, enger an China zu rücken. In einer Konferenz am 9. April hob Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die Bedeutung guter Beziehungen zu Chinas Nachbarstaaten, etwa in Südostasien, hervor. In der offiziellen Zusammenfassung des Treffens heißt es, China wolle „das strategische Vertrauen stärken, die Zusammenarbeit vertiefen und die Integration regionaler Lieferketten vorantreiben.“ 

Doch bisher stellt sich kein Land offen an die Seite Chinas. Anstatt wie China Vergeltungszölle zu verhängen, signalisierten asiatische Länder wie Vietnam, Kambodscha und Indien gegenüber den USA Kompromissbereitschaft. Japan und Südkorea entsandten Diplomaten nach Washington. 

Nach Trumps Kehrtwende am Mittwoch pausierte die EU geplante Vergeltungszölle als Reaktion auf US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Brüssel brachte zudem die Möglichkeit eines Freihandelsabkommens ins Gespräch, an dem die Trump-Regierung jedoch derzeit wenig interessiert sein dürfte. Nach Kommissionsangaben schlug von der Leyen Premier Li einen Mechanismus vor, der die Umlenkung von Handelsströmen infolge der Zölle verfolgt und der vermeiden hilft, dass aus dem US-Markt gedrängte chinesische Waren nun andere Märkte überschwemmen.

Claus Soong, MERICS Analyst: "Trotz Beijings harter Rhetorik scheint Chinas Einfluss begrenzt, andere Länder im Kampf gegen die Anti-Globalisierungspolitik der USA auf seine Seite zu ziehen. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur für China, sondern auch für viele der Länder der wichtigste Exportmarkt, deren Unterstützung Beijing für eine globale Koalition gegen Washington benötigen würde.”

Medienberichte und Quellen:

Beijing profitiert von Trumps Furcht vor dem Zorn der TikTok-Nutzer in den USA

Das Zögern von US-Präsident Donald Trump, TikTok in den USA zu verbieten, könnte China ein wichtiges Druckmittel im Handelskrieg mit Washington verschaffen. Nach Angaben Trumps zog Beijing als Reaktion auf die von ihm erhobenen „Gegenzölle“ die Unterstützung für einen fast abgeschlossenen Verkauf der US-Vermögenswerte von TikTok zurück. Er gewähre nun TikTok weitere 75 Tage, um sich von seiner chinesischen Muttergesellschaft Bytedance zu trennen, ansonsten werde die App verboten. 

China hat in den vergangenen Jahren sein Instrumentarium von Vergeltungsmaßnahmen bei Handelsstreitigkeiten erweitert und erst diese Woche die Erhebung von Vergeltungszöllen ergänzt durch Exportkontroll-Maßnahmen, Sanktionen und Kartelluntersuchungen.

Der Aufschub reflektiert Trumps Bereitschaft, ein TikTok-Verbot in den USA zu vermeiden. Die Plattform hat in den USA 170 Millionen aktive monatliche Nutzer, darunter viele junge Erwachsene, die Trump erreichen möchte. Laut einer Umfrage des Pew Research Center von Februar und März befürworten derzeit nur 34% der Erwachsenen in den USA ein Verbot, im März 2023 waren es noch 50%. 

Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump unter Verweis auf nationale Sicherheitsbedenken noch versucht, einen Verkauf der Plattform zu erzwingen. China setzte im Gegenzug den TikTok zugrunde liegenden Algorithmus für die Auflistung Videoangeboten für die User auf seine Exportkontrollliste. Bytedance kann deshalb das Unternehmen nicht ohne Genehmigung der chinesischen Regierung verkaufen.

Antonia Hmaidi, Senior Analyst am MERICS: "Der von Trump gewährte erneute Aufschub, das Gesetz für einen Verkauf oder gegebenenfalls ein Verbot von TikTok in den USA umzusetzen, gibt China ein Druckmittel im Handelskrieg in die Hand. Trump will offenkundig größeren öffentlichen Unmut vermeiden und die 170 Millionen US-Nutzer von TikTok nicht verärgern."

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

Spaniens Premierminister reist nach Asien, um Beziehungen zu China und Vietnam zu verbessern (The Straits Times)

Spaniens Premierminister Pedro Sanchez begann seine Reise am Mittwoch in Vietnam und wird am Freitag zu einem eintägigen Besuch nach Peking weiterreisen. Die Reise nach China ist Sanchez' dritte in ebenso vielen Jahren. Er versucht, Spanien im Kontext der schwierigen EU-chinesischen Beziehungen als Gesprächspartner zu positionieren. (09.04.25)

Ukraine nimmt für Russland kämpfende Chinesen fest (Reuters)

Präsident Selenskyj teilte mit, die ukrainischen Streitkräfte hätten zwei Chinesen festgenommen, die in der Ostukraine für Russland kämpften. Kiew verfüge über "Informationen, die darauf hindeuten, dass viele weitere chinesische Staatsangehörige" für Russland kämpften. Das chinesische Außenministerium bezeichnete die Äußerungen als "unbegründet". (09.04.25)