Chancellor Merkel at the virtual Sino-German Government Consultations
Kommentar
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Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen: Dialog und Kooperation mit China – der deutsche Sonderweg?

Es ist ihr vermutlich letzter großer Aufschlag in der Chinapolitik: Bundeskanzlerin Angela Merkel führte am Mittwoch ihr Kabinett in die sechsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. Was 2011 in einem optimistischen Klima begann, fällt zehn Jahre später in eine weitaus schwierigere Phase: Vor fünf Wochen hatte die EU Sanktionen gegen China verhängt, die Chinesen reagierten umgehend mit weitaus schärferen Sanktionen.

Und so ist das „business as usual“, in dem die Gespräche stattfanden, als Signal zu werten, dass Deutschland seine privilegierte Partnerschaft mit China auch in dieser angespannten Zeit fortführen will.

Magere Ergebnisse

Die Ergebnisse der Gespräche sind eher mager. Deutschland und China unterzeichneten sechs Absichtserklärungen, vereinbarten darin unter anderem mehr Zusammenarbeit beim Klima- und Umweltschutz, einen Aktionsplan zur Pandemiebekämpfung, gemeinsame Regulierung von Lebensmittelsicherheit und eine Kooperation im Bereich Gefahrguttransporte. Die Absichtserklärungen betreffen Bereiche, die vergleichsweise wenig Konfliktpotential bieten.

In den Vorjahren hatten sich die Regierungskonsultationen weitaus ambitioniertere Ziele gesetzt. 2014 feierten China und Deutschland ihre „Innovationspartnerschaft“. 2018 wollten die beiden Länder noch gemeinsame Standards für das Autonome Fahren entwickeln, einen Dialog zur Cybersicherheit etablieren und einen stärkeren zivilgesellschaftlichen Austausch fördern. Davon ist 2021 nicht mehr die Rede. Offensichtlich ist es in diesem Jahr weitaus schwieriger, eine gemeinsame positive Agenda zu finden.

Fortführung des Menschenrechtsdialogs?

Ausdruck dessen ist auch, dass die Bundesregierung auf eine Pressekonferenz verzichtet hat. Damit lässt Bundeskanzlerin Angela Merkel auch eine weitere Gelegenheit verstreichen, sich zu den Sanktionen zu äußern. In ihrer Stellungnahme zum Auftakt der Gespräche sprach sie lediglich davon, dass „wir schwierige Themen ansprechen und alles auf den Tisch legen können“. Konkret sprach sie die Situation in Hongkong an. Und Merkel äußerte den Wunsch, den Menschenrechtsdialog mit China fortzusetzen.

Ministerpräsident Li Keqiang konstatierte Meinungsunterschiede zwischen beiden Ländern und formulierte: „Solange wir auf Basis der gleichberechtigten Behandlung und der gegenseitigen Nichteinmischung in innere Angelegenheiten kommunizieren und uns austauschen“, gäbe es günstige Bedingungen für Dialog und Kooperation.

Ob die chinesische Seite dem Wunsch der Kanzlerin entspricht und den bilateralen Menschenrechtsdialog fortführen wird, ist offen. China kann es sich heute leisten, auf kritische Diskussionen zu verzichten. Und selbst wenn, die Ergebnisse dieser Dialogformate waren bisher für die Praxis eher bedeutungslos.

Privilegierte Partnerschaft

Deutschland hat sich entschieden, die guten Beziehungen zu China fortzuführen und auf einem hohen Niveau zu halten. Ein Grund sind sicherlich die engen wirtschaftlichen Verflechtungen, dazu kommt aber die Einschätzung, dass ein konfrontativerer Kurs keine konstruktiven Lösungen birgt. International hat sich der Wind gedreht, die EU schaut deutlich kritischer auf China, und die USA sehen sich in einem extremen und umfassenden Systemwettbewerb. Die Bundesregierung könnte mit ihrer Haltung unter den westlichen Staaten zunehmend alleine dastehen.

Den Beitrag verfasste MERICS Senior Fellow Ariane Reimers. Zum Zeitpunkt der Textbearbeitung waren weder das Kommuniqué der Außenminister noch eine gemeinsame Erklärung der Regierungskonsultationen veröffentlicht.

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