Xie Zhenhua, China special envoy for climate, speaks during a session at the COP28 U.N. Climate Summit, Friday, Dec. 1, 2023, in Dubai, United Arab Emirates.
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China auf der COP28 + VAE zwischen China und den USA + Gnadenfrist für Evergrande

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Chinas überlässt anderen die Führungsrolle in der Klimapolitik

118 Länder haben in dieser Woche auf der Weltklimakonferenz in Dubai, der COP 28, dafür gestimmt, die globalen Kapazitäten für Erneuerbare Energien bis 2030 zu verdreifachen. Diese positiven Schlagzeilen waren für China möglicherweise eine willkommene Ablenkung. Beijing will sich weiterhin nicht auf ein konkretes Datum für den Kohleausstieg festlegen oder ärmere Länder bei der Finanzierung der Energiewende stärker unterstützen. Zwei Wochen vor der Übereinkunft in Dubai hatten China und die USA ein ähnliches bilaterales Abkommen zu Erneuerbaren Energien beschlossen. Auch darin wurde keine Frist für einen Kohleausstieg benannt. Chinas Vize-Regierungschef Ding Xuexiang rief in seiner Rede bei der COP 28 “alle Nationen” auf, “den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen”. Die Industrieländer forderte er auf, Entwicklungsländer in deren Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen stärker zu unterstützen. 

Obwohl China derzeit der größte und zusammengerechnet drittgrößte Emittent von Treibhausgasen ist, hatte sich das Land bereits im Vorfeld der COP 28 gegen verbindliche Zeitpläne für das Ende der Kohle-Energie gestemmt. Chinas Klima-Gesandter Xie Zhenhua bezeichnete einige Wochen vor einem Treffen mit seinem US-Kollegen John Kerry einen vollständigen Ausstieg aus der Kohle und anderen fossilen Brennstoffen als „unrealistisch“. Beide Seiten einigten sich auf einen schrittweisen Ausstieg anstelle fester Fristen – ganz im Sinne Chinas, das weiter neue Kohlekraftwerke ans Netz bringen will. 

Die meisten Mitgliedstaaten der EU, weltweit auf Platz zwei bei den CO2-Emissionen, planen den Kohleausstieg bis 2023. Die USA, die für den größten Anteil an den globalen kumulierten CO2-Emissionen verantwortlich sind, haben sich zwar zum Kohleausstieg verpflichtet, aber ohne konkretes Datum.  Die UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel von 1992 zählte China, das inzwischen zur globalen Supermacht aufgestiegen ist, noch zur Gruppe der „vulnerablen Staaten“, die Anspruch auf „Investitionen, Versicherungen und den Technologietransfer“ haben. China bezieht sich weiter auf diese Definition. Damit signalisiert es auch, dass es im Kampf gegen den Klimawandel keine Vorreiterrolle einnehmen will. 

MERICS-Analyse: „China will sogenannte graue durch grüne Energien ersetzen und so zu einem nicht näher definierten Zeitpunkt fossile Energiequellen verdrängen“, sagt MERICS-Experte Nis Grünberg. „Dieser auf Stabilität bedachte Ansatz ist für Beijing die Alternative zu einem schnellen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien. Dieser wäre eigentlich nötig, wenn das 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung erreichbar bleiben soll. Auch wenn Beijing als Stimme der Entwicklungsländer auftreten möchte, sollte es mehr für einen schnellen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen tun.“

Medienberichte und Quellen:

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Etwas mehr als 2 Jahre dauerte es, bis das niederländische Halbleiterunternehmen NXP bemerkte, dass eine Gruppe von Hackern mit Verbindungen nach China unbemerkt Zugriff auf seine IT-Systeme erlangt hatte. Das Kollektiv Chimeria, wie es von der Cybersicherheitsfirma CyCraft genannt wurde, griff über diesen Zeitraum Daten zum Chip-Design ab und sandte sie verschlüsselt nach China. Nach einem Bericht der niederländischen Zeitung NRC wurde NXP erst nach Nachrichten über einen Hacking-Angriff auf ein anderes Unternehmen auf das Problem aufmerksam. Über den Datendiebstahl zeigte sich das Unternehmen demnach nicht besorgt, da die Reproduktion seiner Chip-Designs zu komplex sei. Chimera hat bereits in der Vergangenheit Chip-Hersteller auch in anderen Ländern angegriffen. (Quelle: Ars Technica)

Technologiewettbewerb zwischen China und den USA erreicht Nahen Osten

Die Fakten: Die Zusammenarbeit des ChatGDP-Erfinders OpenAI mit der Technologie-Holding G42 aus den Vereinigen Arabischen Emiraten hat die US-Geheimdienste auf den Plan gerufen. Der Grund: G42 hat Verbindungen zu mehreren chinesischen Unternehmen, was den US-Behörden angesichts des Technologiewettbewerbs mit China und Bedenken über die nationale Sicherheit ein Dorn im Auge ist. Die Zusammenarbeit mit OpenAI soll fortschrittliche KI-Technologien in viele Geschäftsbereiche von G42 integrieren. Washington befürchtet, dass China über Hintertüren Zugriff auf neueste KI-Technologien aus den USA erhalten könnte. Im Oktober hatten die USA die Exportbeschränkungen für Halbleiter auch auf die Vereinigten Arabischen Emirate ausgeweitet, um zu verhindern, dass US-Technologien über Umwege nach China gelangen. Die Geschäftsfelder von G42 reichen vom Gesundheitssektor bis zur Energiewirtschaft. An der Spitze des Unternehmens steht Tahnoon bin Zayed, ein Berater der Emirate für Fragen der nationalen Sicherheit.

Der Blick nach vorn: Die Biden-Regierung hat Berichten zufolge Druck auf bin Zayed ausgeübt, die Verbindungen von G42 nach China zu kappen. Die Emirate und das Unternehmen arbeiten mit Partnern aus den USA und aus China zusammen; G42 hat unter anderem Kooperationen mit Microsoft und Huawei. Verflechtungen mit chinesischen Partnern geraten immer öfter ins Visier der US-Behörden, die Technologietransfer nach China verhindern möchten. Unternehmen sind unter Druck, sich in dem Konflikt zwischen Washington und Beijing zu positionieren.

MERICS-Analyse: „Wenn Washington bei G42 Alarm schlägt, zeigt das sein hohes Interesse, Chinas Zugang zu fortschrittlichen KI-Technologien zu beschränken, es ist andererseits Ausdruck des Wettbewerbs mit Beijing um Einfluss in Nahost“, sagt MERICS-Expertin Wendy Chang. „Akteure in dem Bereich sehen sich zunehmend gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Es wird für Unternehmen und Forschungsinstitute schwieriger, mit beiden Ländern zusammenzuarbeiten. Die USA möchten China bei der Entwicklung modernster KI auf Abstand halten. KI-Software und deren Entwicklung sind aber oft ‘open source‘, deshalb wird es schwierig sein, hier Zusammenarbeit zu verhindern. Die USA werden dennoch Wege suchen, solche Kooperationen in hochsensiblen Bereichen zu stoppen.“ 

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Medienberichte und Quellen:

Beschädigung europäischer Pipeline durch chinesisches Schiff wirft Fragen auf

Die Fakten: Finnland hat ein chinesisches Containerschiff beschuldigt, Anfang Oktober vorsätzlich die Gaspipeline Baltic Connector beschädigt zu haben, die Estland, Finnland und Schweden miteinander verbindet. „Alles deutet auf Absicht hin“, sagte der Minister für Europäische Angelegenheiten, Anders Adlercreutz, dem Nachrichten-Portal Politico. Das Schiff Newnew Polar Bear, das zu einer neuen, wenig bekannten chinesischen Reederei gehört, soll die Gaspipeline und weitere Kabel durchtrennt haben, indem es seinen sechs Tonnen schweren Anker über den Grund der Ostsee schleifte und schließlich verlor. Das chinesische Außenministerium erklärte, dass jegliche Schäden auf einen Unfall zurückzuführen seien, das Schiff hätte den widrigen Wetterbedingungen entsprechend korrekt navigiert. Das Ministerium erklärte sich bereit, bei der Klärung des Vorfalls mit den finnischen Behörden zu kooperieren.

Der Blick nach vorn: Obwohl China bestreitet, die Baltic Connector absichtlich sabotiert zu haben, erinnert der Vorfall an die Beschädigung der berüchtigten North-Stream-Pipeline im Jahr 2022. Der Vorfall wirft die Frage auf, ob China womöglich sogenannte Grauzonen-Taktiken eingesetzt hat, verdeckte aggressive Handlungen unterhalb der Kriegsebene, oft durch scheinbar nichtstaatliche Akteure verübt, um seine anhaltende Unterstützung für Russland zu signalisieren. China soll solche Praktiken angewandt haben, um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer durchzusetzen – oft durch von angeblich kommerziellen Akteuren verursachten Unfällen.  China bezeichnet sich im Russland-Ukraine-Krieg als neutral, doch zugleich pflegt Beijing seit Beginn 2022 enge Verbindungen nach Moskau. China kauft russisches Öl und Gas und liefert zugleich zahlreiche zivile Industriegüter nach Russland, die direkt oder indirekt den Krieg gegen die Ukraine befeuern helfen könnten.

MERICS Analyse: „Es wäre das erste Mal, dass ein chinesisches Schiff eine ausländische Pipeline beschädigt. Die Behörden werden vielleicht nie beweisen können, ob es ein Unfall oder staatlich geförderte Sabotage war,“ sagt MERICS-Experte Claus Soong. „China hat durchaus Interessen in der Ostsee, auch wenn diese noch in Entwicklung begriffen sind.“

Medienberichte und Quellen:

Gnadenfrist für Evergrande: Beijing spielt bei Immobilienkrise auf Zeit

Die Fakten: Der hochverschuldete chinesische Baukonzern Evergrande hat von einem Hongkonger Gericht einen Aufschub für seinen Sanierungsplan bis Ende Januar 2024 erhalten. Die überraschende Entscheidung verschafft Evergrande mehr Zeit, seine Schulden zu restrukturieren und Gläubiger zu überzeugen, dass es eine bessere Alternative zur Liquidierung des Konzerns gibt. Chinas größter und am höchsten verschuldeter Immobilienriese konnte Ende 2021 Zahlungen nicht begleichen und steht in China und im Ausland massiv unter Druck.

Der Blick nach vorn: Evergrande ist das prominenteste Beispiel für die Probleme in Chinas Bausektor. Beijings Vorgehen in dem Fall wird daher Hinweise liefern, wie die Regierung mit der Krise und Verschuldung der Branche generell umgehen wird. Dabei bewegt sich Beijing auf einem schmalen Grat zwischen einer Wirtschafts- oder Finanzkrise und den negativen Auswirkungen von Rettungsaktionen auf das Verhalten wirtschaftlicher Akteure. In den vergangenen Jahren setzte die Regierung auf sanfte Rettungsmaßnahmen. So forderte Beijing Staatsunternehmen und staatliche Banken auf, Anteile am Unternehmen zu erwerben oder Projekte zu übernehmen, um die Liquidität von Evergrande zu gewährleisten. Zugleich setzte Beijing auf strengere Regulierung der Baubranche und Antikorruptionskampagnen. Es legte dem Unternehmen und ranghohen Managern Strafen auf, um Warnsignale in die ganze Branche zu senden. 

MERICS-Analyse: „Beijing versucht, den Zusammenbruch von Evergrande zu verzögern, um das Risiko eines Übergreifens auf weitere Unternehmen zu verzögern. Gleichzeitig fordert die Regierung Schuldendisziplin ein“, sagt Jacob Gunter, MERICS Lead Analyst. „Allzu oft wird sie diese Verzögerungstaktik jedoch nicht wiederholen können – zumindest nicht, ohne anderen wirtschaftlichen Akteuren im Namen der Risikominderung zu schaden.“

Medienberichte und Quellen:

MERICS CHINA DIGEST

Moody‘s senkt Ausblick für Chinas Kreditwürdigkeit auf negativ (Guardian)

Die Ratingagentur Moody‘s hat am Dienstag den Ausblick für chinesische Staatsanleihen von stabil auf negativ herabgestuft. Beijing müsse angesichts des hochverschuldeten Immobiliensektors möglicherweise lokalen Regierungen unter die Arme greifen. (5.12.23)

Italien teilt China Ende der Beteiligung an Neuer Seidenstraße mit (Guardian)

Italien war das erste und bisher einzige große westliche Land, das sich dem Handels- und Investitionsprogramm anschloss. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bereits bei ihrem Amtsantritt im Jahr 2022 verkündet, sie wolle sich aus dem Abkommen zurückziehen. (7.12.23)

China hebt Handelsbarrieren gegen Litauen auf (Taipei Times)

Litauen erlaubte Taiwan 2021, eine „taiwanische“ Repräsentanz zu eröffnen – die erste und einzige unter diesem Namen in Europa. China ergriff daraufhin wirtschaftliche Maßnahmen, die Litauen als „wirtschaftlichen Zwang“ bezeichnete und vor der WTO angefochten hat. (30.11.23)

Studie: „Erhebliche Menge“ von Kleidung aus uigurischer Zwangsarbeit in der EU (The Guardian)

Dutzende von bekannten Marken beziehen möglicherweise Materialien, insbesondere Baumwolle und PVC, die von Uiguren in staatlich verordneten Arbeitstransfer-programmen hergestellt wurden. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht von Uyghur Rights Monitor, Sheffield Hallam University und dem Uyghur Centre for Democracy and Human Rights. (6.12.23)