Headquarters of the People's Bank of China (PBOC) in Beijing
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MERICS China Essentials
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Konjunkturpaket + Northvolt + Rentensystem

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Beijing verkündet Konjunkturmaßnahmen, hält an wirtschaftspolitischem Kurs fest

Die chinesische Zentralbank (PBOC) hat am Dienstag weitreichende Konjunkturmaßnahmen angekündigt, die vor allem auf die Mobilisierung von Kapital für die von Xi Jinping propagierte Modernisierung der Industrie abzielen. Neben Zinssetzungen hat die PBOC die Reserveanforderungen für Banken um 50 Basispunkte gesenkt, wodurch diese eine Billion Yuan (rund 130 Mrd. EUR) mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung haben. Zudem kündigte die PBOC niedrigere Hypothekenzinsen und Anzahlungsanforderungen für neue und bestehende Hypotheken an.

Auch weil die US-Notenbank eine Woche zuvor eine große Zinssenkung beschlossen hatte, war es China möglich, die Geldpolitik zu lockern, ohne einen Abwärtsdruck auf den Yuan zu riskieren. Die Regierung dürfte jedoch zusätzlich fiskalische Maßnahmen ergreifen müssen, um den Konsum und damit das langsame Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Die chinesische Zentralbank hat deutlich gemacht, dass die Maßnahmen Investitionen in Industrie, Wissenschaft und Technologie ankurbeln und den kriselnden Immobilienmarkt stützen sollen. Wenn aber nicht gleichzeitig der Konsum zunimmt, wird das angebotsseitige Konjunkturpaket mehr Exporte oder mehr Importsubstitutionen zur Folge haben. Beides wäre von Nachteil für Chinas Handelspartner.

Zwar werden Haushalte von den niedrigeren Hypothekenzinsen profitieren, doch die Auswirkungen werden überschaubar sein. Die hohe Sparrate verrät, dass die Menschen sich mehr Sorgen über den Zustand der Wirtschaft als über Hypothekenzinszahlungen machen.

MERICS-Analyse: „Die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Zentralbank sind verhaltene Schritte zur Anpassung der wirtschaftspolitischen Prioritäten der Regierung Xi. Sie sollen einen weiteren Niedergang des Immobiliensektors abfedern und mehr Ressourcen in die Modernisierung und den Ausbau der Industrie lenken“, sagt MERICS-Experte Jacob Gunter. „Von einer Kurskorrektur zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums kann noch keine Rede sein. Die Maßnahmen werden nicht ausreichen, um den negativen Folgen der erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen."

Medienberichte und Quellen:

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Jahre sind vergangen, seit China zuletzt eine Interkontinental-Rakete getestet hat. Am 25. September zündete Beijing nach eigenen Angaben eine ballistische Interkontinental-Rakete im Pazifik – und sprach im Anschluss von einer Routinemaßnahme. Die Regierung in Tokio wies die Angaben aus Beijing zurück, die Übung angekündigt zu haben. Die Spannungen in der Region, vor allem zwischen Japan, den Philippinen, Taiwan und China sind derzeit hoch. (Quelle: BBC)

Themen

Krise um Batterie-Hersteller Northvolt zeigt Herausforderungen des „De-Risking“

Die Fakten: Der schwedische Batteriezellenproduzent Northvolt galt als großer Hoffnungsträger der europäischen Batterieindustrie – und als Alternative zu chinesischen Herstellern. Nun ist das Unternehmen in eine Krise geraten, die zeigt, wie schwierig die Risikominderung in den Beziehungen zu China in der Umsetzung ist. Das mit EU-Geldern geförderte Northvolt kündigte vergangene Woche unter Verweis auf Probleme beim Produktionsausbau an, Arbeitsplätze abzubauen und die Forschung und Entwicklung zurückzufahren. Unabhängig davon verschob der US-Chiphersteller Intel den Bau eines Werks in Magdeburg um mindestens zwei Jahre. Europas Bemühungen um mehr Autonomie in der Chipherstellung, zum Schutz der eigenen Wirtschaft vor geopolitischen Risiken haben damit einen empfindlichen Dämpfer erhalten.

Der Blick nach vorn: China und die USA scheinen mehr als die EU und ihre Mitgliedstaaten bereit, einen Preis für Risikominderung zu bezahlen. In seinem Bericht an die EU-Kommission nannte der frühere EZB-Chef Mario Draghi umfassende industriepolitische Pläne wie den „Inflation Reduction Act“ der USA als Vorbild. Die EU hat vergleichbare Strategien nur in der Halbleiter-Industrie verfolgt. Auch angesichts der schwierigen Haushaltslage vieler Mitgliedstaaten sind künftige Beihilfen wie die deutschen Subventionen für Northvolt und Intel ungewiss.

Die EU hat es zudem nicht im gleichen Maße wie die USA geschafft, Unternehmen mit ins Boot zu holen. So plante Northvolt mit dem Einsatz von hauptsächlich chinesischen Maschinen für die Batterieproduktion. China versucht zudem, dem europäischen De-Risking entgegenzuwirken, indem es seine Unternehmen auffordert, Endprodukte wie Solarpaneele zu exportieren, anstatt Anlagen im Ausland zu bauen – oder auch, indem es Kontrollen von Mineralienexporten verstärkt. Außerdem bietet Beijing EU-Ländern Vorzugsbehandlung an, die sich vom De-Risking abwenden.

MERICS-Analyse: „Die EU muss gerade erfahren, dass De-Risking weder leicht noch günstig ist, zumal sowohl China als auch die USA in ihrer Politik weit voraus sind“, sagt MERICS-Expertin Antonia Hmaidi. „Angesichts der Rückschläge bei Northvolt und der Intel-Investition in Deutschland sowie von Chinas Versuchen, De-Risking zu unterlaufen, muss die EU-Kommission Mitgliedstaaten und Unternehmen überzeugen, damit ihre Strategie funktioniert.“

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Medienberichte und Quellen:

China hebt inmitten wachsender sozioökonomischer Probleme Rentenalter an

Die Fakten: Beijing muss angesichts der wachsenden sozioökonomischen Herausforderungen an Tabus rütteln: erstmals seit über 70 Jahren hob China das äußerst niedrige Rentenalter an, um das Defizit in den Rentenkassen zu verringern. Männer können künftig erst mit 63 – und nicht mehr mit 60 – in den Ruhestand treten. Bei Frauen wurde das Renteneintrittsalter von 50 für Arbeiterinnen und 55 für Angestellte auf 55 bzw. 58 Jahre angehoben. Zudem haben die Menschen künftig erst nach 20 statt bislang 15 Beitragsjahren Anspruch auf eine Rente.

Chinas Bevölkerung altert rasant: bereits heute sind 20 Prozent älter als 60; bis 2050 könnten es doppelt so viele sein, auch weil die schwierige Wirtschaftslage die Geburtenrate weiter drückt. Zugleich hat schwaches Wirtschaftswachstum die Jugendarbeitslosigkeit auf mehr als 18 Prozent steigen lassen, was die Unsicherheit über die Rentenfinanzierung erhöht. Chinas Akademie für Sozialwissenschaften warnte, die Rentenkassen könnten ohne Anpassung in einem Jahrzehnt leer sein.

Der Blick nach vorn: Die Kommunistische Partei hatte die Reform des Rentensystems auf dem Dritten Plenum im Juli angekündigt. Die geplanten Gesetzesänderungen, zu denen es keine öffentlichen Konsultationen gab, zogen rasch auch Kritik auf sich. Ältere Arbeiter äußerten sich besorgt, durch die große Zahl arbeitsloser junger Menschen verdrängt zu werden. Über die Notwendigkeit von Reformen sind sich zwar viele einig. Doch vor allem Arbeiter fühlen sich betrogen.

Zugleich befürchten junge Menschen Nachteile durch das höhere Rentenalter. Dass Partei- und Staatschef Xi Jinping die Bevölkerung auf schwierige Zeiten einschwor, hat auch junge Chinesinnen und Chinesen alarmiert, die trotz Universitätsabschluss keine passende Stelle finden. Angesichts der knappen öffentlichen Finanzen wird die chinesische Führung Entscheidungen treffen müssen, die bei der Bevölkerung unbeliebt sind und die Unterstützung für die Regierung schwächen. Eine Jugend, die sich benachteiligt fühlt, der wirtschaftliche Abschwung und die alternde Mittelschicht, deren wirtschaftliche Situation sich von Jahr zu Jahr verschlechtert, schaffen eine volatile Situation, welche die Partei lange gemieden und gefürchtet hat. Die Antwort dürfte ein noch stärkerer Fokus auf Sicherheit und mehr Zensur sein.

MERICS-Analyse: „In den Jahren des starken Wachstums und steigender Löhne scheute Beijing vor unpopulären Entscheidungen zur Erhöhung der Steuern und Verbesserung der Sozialleistungen zurück“, sagt MERICS-Experte Nis Grünberg. „In Zeiten eines langsameren Wachstums und demografischen Wandels wird dies umso schwieriger. Auch nach der Anhebung bleibt das Rentenalter in China im Vergleich zu anderen Ländern niedrig und wird die Probleme bei der Finanzierung von Pensionen nicht lösen können, insbesondere für Angestellte, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten.“

Medienberichte und Quellen:

Biden nutzt Quad-Gipfel zum Schmieden von Allianzen gegenüber China

Die Fakten: Auf dem jüngsten Quad-Gipfel der Regierungschefs der USA, Australiens, Indiens und Japans in Delaware fand US-Präsident Joe Biden Unterstützung für sein außenpolitisches Bestreben, Chinas wachsenden geopolitischen Einfluss einzudämmen. In einer gemeinsamen Erklärung wurde China zwar nicht namentlich genannt, aber ein „freier, offener, gemeinschaftlich genutzter und resilienter Indopazifik“ gefordert und Besorgnis über „Zwangs- und Einschüchterungsmanöver“ in diesen Gewässern geäußert. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums kritisierte, die Quad-Gruppe würde „Spannungen schaffen, Konfrontationen schüren und versuchen, die Entwicklung anderer Länder zu bremsen“.

Der Blick nach vorn: Während China eigene, konkurrierende Sicherheits- und Wirtschaftsallianzen aufbaut, hofft Biden offenbar, das Quad-Format zur Festigung der globalen Führungsrolle der USA zu nutzen. Erst nach den Wahlen in den USA wird sich zeigen, ob das Land eine multilaterale Strategie mit Verbündeten verfolgen oder einen eher unilateralen Ansatz verfolgen wird. Die Quad-Staaten kündigten an, die maritime Sicherheit durch gemeinsame Militäroperationen verbessern und die Zusammenarbeit im Bereich Halbleiter stärken zu wollen. Bemerkenswert ist, dass der indische Premierminister Narendra Modi die Initiative unterstützt und in dem Format eine aktivere Rolle seines Landes anstrebt – entgegen Indiens bisheriger Politik der Blockfreiheit.

MERICS Analyse: „Der Wettbewerb zwischen den USA und China zwingt Amerikas Partner dazu, ihre bilateralen Beziehungen zu beiden Staaten sorgfältig auszutarieren. Sie müssen abwägen zwischen wirtschaftlichen Interessen in China und einem Sicherheitsbündnis mit den USA“, sagt MERICS-Analyst Claus Soong. „Die Quad-Initiative könnte ein Standbein eines US-geführten, multilateralen Bündnissystems zur Eindämmung Chinas werden und eine stärkere Lastenteilung unter den Verbündeten ermöglichen.“

Medienberichte und Quellen:

MERICS CHINA DIGEST

Top-Ökonom in China verschwindet nach privaten WeChat-Kommentaren (WSJ)

Zhu Hengpeng vom Institut für Wirtschaftsforschung der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften wurde festgenommen und seiner Posten enthoben, nachdem er in einer privaten Chat-Gruppe angeblich Partei- und Staatschef Xi Jinping kritisiert hatte. (24.09.24)

Hongkonger Journalistenverband berichtet von Einschüchterung von Journalisten (HKFP)

Journalisten von mindestens 13 Medien in Hongkong berichteten von Drohungen, Einschüchterungsversuchen und Schikanen, wobei es sich offenbar um einen „systematischen und organisierten Angriff“ handelt, so die größte Journalistenvereinigung der Stadt. (13.09.24)

Russland entwickelt laut Geheimdienstquellen Kriegsdrohnen in China (Reuters)

Russland hat Berichten zufolge ein Waffenprogramm in China eingerichtet, um Langstrecken-Angriffsdrohnen für den Einsatz im Krieg gegen die Ukraine zu entwickeln und zu produzieren, Die Nachrichtenagentur Reuters berief sich auf zwei Quellen eines europäischen Geheimdienstes und von Reuters eingesehene Dokumente. (25.09.24)

Deutschland lässt zwei Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße fahren (AP News)

Es ist die erste Durchfahrt der deutschen Marine durch die umstrittenen Gewässer seit mehr als zwei Jahrzehnten. Beim letzten Marineeinsatz in der Region in den Jahren 2021-22 hatte Deutschland versucht, eine Konfrontation mit China zu vermeiden, indem es nicht durch die Taiwanstraße fuhr. (13.09.24)

Brasilianische Fluggesellschaft will Flugzeuge von Chinas COMAC kaufen (Reuters)

Die brasilianische Fracht- und Charterfluggesellschaft Total Linhas Aereas wäre das erste Unternehmen außerhalb Asiens, das Flugzeuge von Chinas staatlichem Flugzeughersteller kauft. COMAC versucht sich, in dem von westlichen Herstellern dominierten globalen Markt für Passagierflugzeuge zu etablieren. (26.09.24)

EU fechtet Chinas Untersuchung von Milchprodukten bei der WTO an (Reuters)

Die Europäische Kommission hat bei der Welthandelsorganisation eine Klage gegen Chinas Untersuchung von EU-Milchprodukten eingereicht, die auf die Einfuhrzölle der EU auf chinesische Elektrofahrzeuge gefolgt war. China habe „innerhalb kurzer Zeit handelspolitische Schutzmaßnahmen einleitet, die auf fragwürdigen Behauptungen und unzureichenden Beweisen beruhen“, erklärte die Kommission. (23.09.24)